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Tod in der Marsch

Tod in der Marsch

Titel: Tod in der Marsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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Räume
einzudringen.«
    Wortlos stand Große Jäger auf, zog sich seinen Parka
über, ging zur Tür und meinte nur: »Kommt!«
    Diesmal nutzten sie ein Fahrzeug für den kurzen Weg.
    Von außen war kein Licht zu sehen, und auch auf das
Klingeln hin rührte sich nichts. Sie hatten bei Nachbarn geläutet, sich als
Polizisten ausgewiesen und so Zugang zum Treppenhaus bekommen.
    Nun standen sie vor der verschlossenen Wohnungstür.
    »Und wie wollen wir dort hineinkommen?«, fragte
Christoph. »Ob es hier einen Hausmeister gibt?«
    Das Türschloss war handelsüblicher Art, nicht massiv,
aber doch ein nicht zu überwindendes Hindernis für Leute, die in friedlicher
Absicht kamen.
    Mommsen zupfte Christoph am Ärmel. »Herr Johannes«,
sagte er, »ich glaube, wir sollten einmal auf die Namensschilder in der darüber
liegenden Etage sehen.«
    Christoph verstand. Sie gingen die Treppe einen halben
Absatz aufwärts und blickten auf die dunkle Straße hinaus. Sie war menschenleer.
Hinter den hell erleuchteten Fenster der gegenüberliegenden Straßenseite
spielte sich in diesen frühen Abendstunden das Feierabendritual der
Durchschnittsfamilie ab. Nicht alle Fenster waren durch Gardinen abgeschirmt,
sodass, wer wollte, an den Geschehnissen teilhaben konnte.
    Sie hörten ein kurzes metallisches Knacken. Mommsen
drehte sich um, lächelte ein wenig verschmitzt und sagte: »Das ist aber ein
Zufall, dass die Wohnung gar nicht abgeschlossen ist.«
    Sie folgten Große Jäger in die kleine, einfache
Wohnung. Sie war sauber und aufgeräumt. Die Einrichtung war einfach und
unvollständig. Außerdem fiel es auf, dass die Möbel nicht zueinander passten.
Das Geld war knapp, und Frau Dahl schien in der Übergangsphase die Wohnung mit
Gegenständen unterschiedlicher Herkunft bestückt zu haben.
    Es gab ein großes Zimmer mit einem akkurat bezogenen
Bett, das mit einer schlichten Tagesdecke abgedeckt war. Ein kleiner Tisch und
drei Stühle standen an der einen Wand, ein gebrauchter Kiefernholzschrank sowie
eine dazu nicht passende Anrichte vervollständigten das Mobiliar. Auf dem Tisch
lag eine kleine gehäkelte Platzdecke, halb verdeckt durch einen ordentlich
geschichteten Stapel von Schulbüchern und Heften. Christoph warf einen kurzen
Blick auf das oberste Heft. »Rechnen Lisa Dahl Klasse 2b« stand dort in
kindlicher Schrift. Gegen ein Tischbein gelehnt sahen sie die Schultasche, sie
war geöffnet. Das Ganze erweckte den Eindruck, als hätte die Kleine die
Schulaufgaben nur einmal kurz unterbrochen, um sie nach ihrer Rückkehr an
diesen Platz fortzusetzen oder das Ergebnis der Bemühungen in die Schultasche
zurückzulegen.
    Christoph fingerte einen Kugelschreiber aus der Tasche
und schlug damit vorsichtig das Schulheft auf. Er blätterte die wenigen mit
kindlicher Schrift versehenen Seiten bis zum letzten Eintrag um. Die einzelnen
Abschnitte waren jeweils mit einem Datum versehen, darunter standen mit roter
Tinte Anmerkungen der Lehrerin, manchmal als erläuternder Text, in anderen
Fällen mit einer unterschiedlichen Anzahl roter Sternchen. Die letzte Bemerkung
der Lehrerin stand unter den Schulaufgaben vom Montag der vergangenen Woche.
Dienstag war der letzte Tag, so hatte Frau Pohl berichtet, an dem Lisa die
Schule besuchte hatte. Seitdem fehlten weitere Eintragungen.
    Das zweite Zimmer war etwas kleiner. Anstelle eines
Bettes war auf dem Fußboden mittels einer bezogenen Matratze ein Schlaflager
hergerichtet. Die Bettwäsche war mit bunten Kindermotiven versehen, in der Ecke
zur Wand lehnten mehrere Kuscheltiere. Ein einfacher Holzschrank komplettierte
die Einrichtung, ein Tisch fehlte. Tiermotive, mit Klebestreifen befestigt,
zierten die Raufaserwände.
    Im Schrank befand sich eine überschaubare Anzahl
sauber zusammengelegter Kleidungsstücke, in den Regalen aber auch wärmende Oberbekleidung
wie Pullover, die jemand bei Antritt einer Reise in dieser Jahrszeit sicherlich
mitgenommen hätte.
    Die kleine Küche konnte gerade zwei Personen
aufnehmen, die sich dann aber schon in ihrer Bewegungsfreiheit gegenseitig
behinderten. Obwohl alles einen sauberen und aufgeräumten Eindruck machte, roch
es säuerlich aus dem Kühlschrank. Im Inneren fanden sie etwas Aufschnitt, eine
noch halb gefüllte Packung mit Eiern, angebrochene Flaschen mit Fruchtsaft und
Mineralwasser und eine geöffnete, halb geleerte Milchtüte, die den unangenehmen
Geruch verströmte. Das Haltbarkeitsdatum wies das Ende der vergangenen Woche
aus. Es passte nicht zum

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