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Tod in der Marsch

Tod in der Marsch

Titel: Tod in der Marsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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Große Jäger, ehe
Christoph es verhindern konnte, in der ihm eigenen Art und Weise ab. Halblaut
presste er zwischen den Zähnen hervor: »Kerl, wenn ich dich im Dunkeln
erwische, dann muss der Chirurg Überstunden machen.«
    Yildiz hatte sich eine Jacke übergeworfen und folgte
den beiden Streifenbeamten, die ihr Fahrzeug in der Auffahrt vor dem Wohnhaus
geparkt hatten.
    Inzwischen war die Dämmerung hereingebrochen und
tauchte alles in ein diffuses Zwielicht. Ein kräftiger Ostwind blies eiskalt,
sodass sie trotz der warmen Jacken fröstelten.
    Vor dem Gebäude stand, ungeachtet der schlechten
Witterungsbedingungen, eine kleine Menschenansammlung. Die Leute starrten auf
das Haus und die Beamten und steckten die Köpfe zusammen.
    *
    Als sie durch die von wenigen Straßenlampen nur
spärlich beleuchtete Dorfstraße hinunterfuhren, kam ihnen in der Ortsmitte der
Linienbus aus der Kreisstadt entgegen. Hinter den hellen Fenstern waren die
wenigen Fahrgäste zu erkennen.
    Christoph musste unvermittelt auf die Bremse treten,
weil direkt hinter dem Bus zwei Fußgänger die Straße überquerten. Sie zögerten
ein wenig, so als würden sie sich orientieren, und strebten dann langsam und
bedächtig dem Dorfgasthaus zu.
    Es war ein seltsames Paar, das dort, einander untergehakt
und sich beim Gehen gegenseitig stützend, im Schein der Leuchtreklame
aufgetaucht war. Auch ließ sich nicht erkennen, ob der alte Herr Grün seinem
Begleiter, Peter Dahl, Hilfe beim Gehen bot oder umgekehrt.
    Unterschiedlicher hätten zwei Personen nicht sein
können. Der große, kräftig gebaute junge Mann mit einer festen Winterjacke,
daneben die kleine, zierliche und gebeugte Gestalt des alten Mannes, der mit
seinem langen schwarzen Mantel, dem weißen Schal und dem dunklen Hut wie ein
Wesen aus der Vergangenheit aussah.
    »Ich möchte gern wissen, was die beiden hier in
Marschenbüll vorhaben.« Christoph lenkte den Wagen auf den Parkplatz vor dem
Gasthof.
    Sie betraten die Gaststube direkt hinter den beiden
Männern, die noch orientierungslos unter dem Türrahmen standen. Leo Grün wies
auf einen runden Tisch in der Ecke und steuerte diesen an.
    »Dürfen wir uns einen Augenblick zu Ihnen setzen?«,
fragte Christoph hinter ihrem Rücken und nahm, ohne die Einladung abzuwarten,
am Tisch Platz.
    Die drei Beamten wunderten sich über Peter Dahl. Fast
rührend kümmerte er sich um den alten Herrn, half ihm aus dem Mantel und hängte
ihn an den dafür vorgesehenen Wandhaken.
    Es war erst Nachmittag, trotzdem war die Gaststube gut
besetzt. Fast ein Dutzend Männer saßen am Tresen oder standen in zweiter Reihe
hinter den hochbeinigen Hockern.
    Beim Eintreten der neuen Gäste war das Stimmengewirr
komplett verstummt. Mit offenen Mündern starrte alles auf das seltsame Paar und
die drei Polizeibeamten.
    »Ich habe mich in den letzten Tagen um Peter
gekümmert«, sagte Herr Grün. Er zeigte mit seiner Greisenhand auf Peter Dahl.
»Der Junge hat so viel Schweres durchgemacht, wobei noch lange nicht alles
überstanden ist. Da ist nicht nur der schmerzhafte Verlust seiner Frau, sondern
immer noch die Ungewissheit über das Schicksal seiner Tochter. Deshalb achte
ich ein wenig auf ihn.« Dabei sah er fürsorglich, fast wie ein Vater, auf den
großen Mann, der bleich und mit tief liegenden, schwarz umränderten Augen einen
dankbaren Blick zurückwarf.
    »Und was führt Sie hierher nach Marschenbüll?«
Christoph hatte seine Frage an Peter Dahl gerichtet. Doch der alte Mann
übernahm es wie selbstverständlich, zu antworten. Es wirkte fast wie
einstudiert.
    »In einer solchen Situation, in der neben der Trauer
auch noch die Unruhe über das Wohlergehen des eigenen Kindes in ihnen wohnt,
baut sich eine unermessliche innere Spannung auf. Dieser Druck hat uns
veranlasst, hierher zu kommen, wo seine Frau ermordet wurde.«
    Der alte Herr sah zu den sprachlosen Zuschauern
hinüber, die vom Tresen her seinen Ausführungen gefolgt waren. Unwillkürlich
folgten die Augen der anderen am Tisch seiner Blickrichtung.
    Christoph sah jeden einzelnen der Dorfbewohner der
Reihe nach an.
    »Und einer von denen könnte es gewesen sein.« Mit der
ausgestreckten Hand fuhr Grün langsam eine unsichtbare Linie über die Gruppe
der Dorfbewohner ab. Danach fiel seine Hand müde auf die Tischplatte herab. Er
sah Christoph an und wirkte wie aus einer anderen Welt zurückgekehrt.
    »Können Sie jetzt verstehen, weshalb Peter nach
Marschenbüll wollte, ja musste?«
    »Herr Grün, wir tun

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