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Tod in der Marsch

Tod in der Marsch

Titel: Tod in der Marsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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dass der
Mann aufschrie und sich vornüberbeugte.
    Mommsen stellte sein Bein vor die Füße des
Streitsüchtigen, und gemeinsam drückten die beiden Kriminalbeamten den Mann
nach vorn, sodass er erst auf die Knie sank und dann bäuchlings mit dem Gesicht
nach unten auf dem Dielenboden landete.
    Große Jäger kniete in seinem Rücken und drückte den
Arm immer noch kräftig nach oben, bis der Mann vor Schmerzen wimmerte.
    Christoph behielt währenddessen die Gruppe der anderen
Wirtshausbesucher im Auge. Zuerst hatte es so ausgesehen, als wollten sie dem
einen aus ihrer Mitte folgen. Doch es war wohl mehr das entschlossene
Einschreiten der beiden Polizisten als Einsicht oder Vernunft, das die Gruppe
davon abhielt, ebenfalls handgreiflich zu werden.
    »Haben Sie sich jetzt beruhigt?«, fragte Große Jäger
den Mann unter seinen Knien. Dieser war noch nicht bereit, Schwäche zu zeigen.
Große Jäger verstärkte noch einmal den Druck, sodass der Mann abermals
aufschrie. Schweißperlen standen auf seiner Stirn.
    »Ja«, wimmerte er, »es ist in Ordnung. Ich bin ruhig.«
    Danach ließen die beiden Beamten den Mann los, der
sich mühsam vom Boden erhob.
    »Dorthin!« Große Jäger wies auf einen leeren Tisch in
einer Ecke. »Dann werden wir die Personalien aufnehmen.«
    Widerspruchslos trottete der Angesprochene mit hängendem
Kopf zum Tisch, gefolgt vom Oberkommissar.
    »Ich erwarte von Ihnen«, richtete sich nun Christoph
an die Anwesenden, »dass Sie sich wie halbwegs zivilisierte Menschen benehmen.
Dazu gehört, dass jede Form von Hetze, jede rassistische Äußerung unterbleibt.
Ferner mache ich Sie darauf aufmerksam, dass Sie sich strafbar machen, wenn Sie
wie eben Verleumdungen gegen jemanden ausstoßen, ihn ungerechtfertigt
bezichtigen, Straftaten begangen zu haben.«
    Christoph war während seiner kurzen Ausführung langsam
an der Gruppe der Gasthausbesucher vorbeigeschritten. Die Männer starrten ihn
stumm an.
    »Sagen Sie uns doch einfach die Wahrheit«, meldete
sich ein fast Kahlköpfiger aus dem Hintergrund. »Warum bestätigen Sie nicht
einfach, was jeder hier längst weiß.« Dabei zeigte er mit seiner Hand in die
Runde. Es war, als zöge er an einem unsichtbaren Band, und jeder der Anwesenden
nickte bestätigend zu seinen Ausführungen, sobald die Hand auf ihn wies.
    »Ich sage Ihnen noch einmal, dass wir bisher leider
keinen Täter ermitteln konnten.« Christoph hatte entgegen seiner sonstigen
Gewohnheit die Stimme erhoben.
    Doch der Mann blieb hartnäckig. »Es ist doch ein
Unding, dass sich hier Arbeitsscheue, Ausländer, die wir nicht gerufen haben,
und anderes Gesindel herumtreiben dürfen und die Polizei nichts dagegen
unternimmt. Da kann jeder Abartige frei rumlaufen und unsere Frauen und Kinder
belästigen.«
    Zustimmendes Gemurmel aus den Kehlen der anderen
begleiteten diese Tiraden. Sie schaukelten sich gegenseitig hoch, schwammen auf
einer gefährlichen Welle mit, die jeder Einzelne nie bewegt hätte. Im
Zwiegespräch, da war sich Christoph sicher, würde keiner von ihnen auch nur im
Entferntesten wagen, solche Äußerungen zu machen.
    Der alte Herr Grün ging auf den Sprecher zu.
»Mörder!«, rief er mit brüchiger Stimme.
    Er herrschte Totenstille.
    »Mörder!«, wiederholte der alte Mann. Seine dunklen
Augen funkelten. »Du bist ein Mörder. Ihr habt meine ganze Familie ausgerottet.
Kaltblütig ermordet. Keiner hat etwas gesehen. Keiner hat etwas gewusst. Aber
jetzt, hier, an dieser Stelle, in diesem Ort, an diesem Fleck, da steht ihr
wieder wie ein Mann zusammen. Wie damals. Heute seid ihr wieder eine
Gemeinschaft. Im Unterschied zu damals behauptet ihr aber, die Wahrheit zu
wissen. Ihr verfügt über die Erkenntnis, dass alle Menschen, die angeblich
nicht so sind wir ihr, die nicht hier geboren wurden, dass diese Menschen
weniger Anrecht auf Vertrauen und Menschlichkeit haben. Eure Vorurteile führen
automatisch zur Verurteilung.«
    Das leise einsetzende Gemurmel klang wie eine
Zustimmung. Sichtlich erschöpft von seinen Ausführungen wandte sich der alte
Mann wieder dem Tisch zu, um Platz zu nehmen, als die Tür der Gaststube erneut
heftig aufgerissen wurde.
    Zwei Männer wurden durch die Tür in den Raum hineingestoßen.
Es handelte sich um die beiden Arbeiter, die vorhin aus dem Stall von Dirschaus
über die Wiesen entflohen waren.
    Christoph hatte Recht behalten. Bei dieser Witterung,
ohne schützende warme Kleidung, hatten sie keine Chance, weit zu kommen.
    Der Bürgermeister und ein

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