Tod in der Walpurgisnacht
werde«, versprach sie.
Und Sam begann zu erzählen.
An dem Tag waren wir zu dritt auf dem Heimweg von der Schule, ich und noch zwei Klassenkameraden. Wir trödelten und rannten abwechselnd, schubsten und boxten uns gegenseitig, so waren wir damals einfach. Alles war so wie immer.
Dann beschlossen wir, Fußball zu spielen. Es war Frühling, ich erinnere mich nicht genau, wann, denn um sowas kümmert man sich in dem Alter nicht so. Vielleicht Anfang Juni, denn ich glaube, wir hatten schon im See gebadet, auch wenn das Wasser noch kalt war.
Ich ging nach Hause, zog meine Fußballschuhe an und sagte Tschüss zu Mama. Sie arbeitete in Teilzeit und war schon zu Hause. Vielleicht hatten sie an dem Tag keine Touristengruppe. Erinnerst du dich noch, wie schön wir sie immer fanden, wenn sie ihren Rock, eine saubere Bluse und die Schuhe mit den Absätzen anzog, wenn sie ausländische Gruppen führen sollte? Unsere schicke Mama, die mehrere Sprachen beherrschte.
Sie hatte mir ein paar Brote gemacht, die ich auf dem Weg zum Fußballplatz hinunterschlang. Der Fußballplatz lag ein Stück in die andere Richtung von unserem Haus aus. Ich bin mit dem Rad gefahren, das machte ich immer. Alle fuhren Rad. Du auch.
Wir kickten eine Weile, es kamen noch mehr Freunde, und die Zeit verging wie im Flug. Doch dann hatten die Glasarbeiter Schicht und übernahmen den Fußballplatz. Wir Jungs haben eine Weile dagesessen und zugeschaut, ein paar von den Arbeitern waren ja die Väter von meinen Freunden. Aber unser Papa hat nie Fußball gespielt, er ist lieber im Wald laufen gegangen.
Einer von uns kam auf die Idee, dass wir zum Badeplatz runtergehen und in den See springen sollten. Also fuhren wir nach Hause, um unsere Badesachen zu holen. Mama sagte, dass wir nicht ertrinken sollten, aber wir konnten ja alle drei schwimmen und wussten, dass wir auf keinen Fall vom Steg springen durften, weil das Wasser dort zu flach war. Die Pontons waren schon im Wasser, das erinnere ich.
Ich bin fast hundertprozentig sicher, dass Skoglund gesehen hat, wie wir zum See radelten. Entweder war er im Garten oder machte irgendwas vor der Haustür. Wir sind nur kurz baden gewesen, denn das Wasser war eiskalt. Dann zogen wir uns hier drin an. Ebbe, erinnerst du dich an ihn?, der sich drum kümmerte, dass alles repariert wurde, und der die Büsche schnitt, der war am Badeplatz, als wir hinkamen, und das war ein sicheres Gefühl, falls einer von uns abtauchen würde. Ebbe war ein netter Typ, so einer, der einfach da war. Eigentlich heißt er Eberhard Lind, er lebt noch, ich habe ihn im Dorf gesehen. Er sieht eigentlich so aus wie immer, nur älter und dicker.
Meine beiden Freunde, sie hießen Jonathan und Gustav und wurden natürlich Jonte und Gurra gerufen, wohnten oben bei der Kirche. Nach dem Baden sollten wir alle zum Essen nach Hause kommen. Doch als wir bei unseren Fahrrädern waren, tauchte plötzlich wie aus dem Nichts Skogis auf und fing an, mit uns zu plaudern.
Skogis bot mir an, mich nach Hause zu bringen. Ich sagte, das sei nicht nötig, denn er war schließlich zu Fuß, und ich hatte ein Fahrrad. Jonte und Gurra hatten es plötzlich ziemlich eilig und traten in die Pedale. Und ich stand da mit Skogis, der anfing, mich vollzuquatschen, er hätte ein ganz tolles Spiel für mich, was immer das auch war, scheinbar so eine Art Rollenspiel, und er hätte schon immer gefunden, dass ich ein › ungewöhnlich guter Kerl ‹ sei. Das Spiel hatte er nicht bei sich, ich würde es kriegen, wenn wir nach Hause kämen.
Das war unangenehm, denn es war früher schon öfter passiert, dass Skogis so angekrochen gekommen war und mir irgendwas Nettes gesagt hatte. Man lässt sich ja gerne loben, aber das fühlte sich irgendwie falsch an.
Diesmal wollte er mir irgendwelche Bilder zeigen und meinte, wir sollten doch in die Badehütte gehen und uns dort hinsetzen. Also hier.
Seither habe ich immer den Geruch von Beize in der Nase. Es waren Bilder von Kindern, hauptsächlich von Jungen, und von erwachsenen Typen. Sie hielten sich im Arm oder saßen dicht beieinander oder so, und manchmal waren sie nackt. Er wollte mir zeigen, wie gut man es miteinander haben konnte, dass das ganz normal sei, man könnte das auf den Bildern ja sehen. Und dann fragte er, ob ich nicht meine Hose aufmachen könnte. Da hatte er schon eine riesige Hand auf meinen Oberschenkel gelegt. Bis heute kann ich nicht begreifen, wie das geschehen konnte. Ich wurde von einer Person festgehalten, der
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