Tod in der Walpurgisnacht
begann.
Dann stand die ältere vor ihm.
»Papa, du musst mir mit meiner Höhle helfen. Die kracht andauernd zusammen«, verkündete Klara und sah ihm ernst ins Gesicht, als stünde der Weltuntergang unmittelbar bevor.
Sie gingen ins Wohnzimmer, und es gelang ihm, die Höhle aus Sofakissen zu sichern. Die Seitenkissen waren nicht sonderlich gut geeignet, und er stellte stattdessen Stühle hin und ließ die Decke, die das Dach bildete, über die Sitze fallen. Und schon war es Zeit zu essen.
»Das Sandmännchen läutet schon mit seiner Glocke«, scherzte er mit der älteren Tochter. »Und nachher hilfst du mir, Nora ins Bett zu bringen, nicht wahr?«
Doch da spielte Klara nicht mit.
»Mama kann Nora ins Bett bringen, und du liest mir vor.«
Er legte ihr die Hand auf den Kopf und strich das weiche Haar zur Seite. Was für ein wunderbares Kind! Sie gingen zusammen in die Küche und setzten sich an den Tisch.
»Jetzt erzählt mal, was ihr heute gemacht habt«, forderte er sie auf, während Veronika und er den Töchtern auftaten und das Essen klein schnitten.
»Ich war reiten!«, sagte Klara.
»Ehrlich? Das ist ja toll!«
»Das Pferd heißt Pony.«
»Du bist auf einem Pony geritten, auf einem kleinen Pferd«, erklärte Veronika.
»Das war gar nicht klein, das war groß«, widersprach Klara und machte eine ausholende Bewegung mit den Armen.
»Wie dumm von mir«, sagte Veronika. »Natürlich war das Pferd groß.«
Claes nahm ein paar Schluck Bier.
»Und bei dir?«, fragte Veronika und versuchte, seinen Blick einzufangen.
»Tja, das Übliche, wenn man eine Ermittlung beginnt. Wir suchen nach alten Streitigkeiten zwischen verschiedenen Personen und dem Opfer, aber hauptsächlich haben wir versucht rauszukriegen, wo er gewesen ist, ehe er … na ja!«
Er wollte das Wort »ermordet wurde«, und schon gar die Formulierung »verbrannt wurde«, in Gegenwart der Töchter vermeiden.
»Ein armer, krebskranker Mann, Rentner. Mein Gott, man weiß wirklich nicht, was den Leuten manchmal einfällt«, seufzte er.
»Er war mein Patient«, sagte sie. »Ich habe ihn operiert.«
Die Polizei hatte um Hinweise gebeten und deshalb, nachdem die Angehörigen über den Todesfall informiert worden waren, den Namen des Toten an die Presse rausgegeben.
Veronika zeigte auf die Abendzeitung, die hinter Claes auf der Arbeitsfläche lag. Er schlug sie auf und sah ein älteres Pressefoto, auf dem Skoglund eine Medaille der Handwerkskammer entgegennahm. Der Vorstand der Glashütte lächelte huldvoll. Außer Skoglund wurden noch zwei weitere Arbeiter geehrt, einer davon war Peo Jeppson, der offensichtlich Per-Ola hieß.
»Was kannst du über Skoglund sagen?«, fragte er und sah sie erstaunt an.
»Dass er in der letzten Zeit unheimlich abgebaut hat. Es ging wirklich außergewöhnlich schnell. Ich weiß nicht, warum, und der Onkologe, der ihn betreut hat, wusste auch keine Erklärung dafür.«
»Und wie war er so als Mensch?«, fragte er und aß von seinem Stroganoff.
»Na ja, ein bisschen kleinkrämerisch, könnte man sagen. Er wollte alles kontrollieren, die ganze Pflege und so weiter. Seine Frau war oft dabei, sie schien irgendwie sauer auf ihn zu sein, saß die meiste Zeit auf einem Stuhl und sah todmüde aus. Sie stellte nur selten Fragen und wirkte ziemlich desinteressiert.«
»Sonst nichts?«
»Nee, manchmal war der Sohn dabei. Er schien nett zu sein, hat aber auch nicht viel gesagt.«
»Es gab also nichts Besonderes?«
»Nicht, soweit ich mich erinnere«, sagte sie. »Das Einzige, was ich sagen kann, ist, dass es wirklich sehr schnell ging. Er hat abgebaut, war blass und müde und matt, hatte aber keine besonderen Schmerzen. Er war noch gar nicht so alt, keine siebzig. Übrigens hat er erzählt, dass der Sohn ihm manchmal half, wenn die Frau nicht zu Hause war, und dass er dankbar dafür war.«
»Hatte er noch lange zu leben, ich meine, im Hinblick auf die Krankheit?«, fragte Claesson, den Blick immer noch auf den Teller geheftet, wo er mit der Gabel eine grüne Erbse jagte.
Veronika zuckte mit den Schultern.
»Du weißt ja, dass wir Ärzte am liebsten gar nicht auf solche Fragen antworten, weil wir es nämlich nicht wissen.«
»Ja, aber mal so unter der Hand«, beharrte er und sah kurz zu ihr auf. Verdammt, das fühlte sich nicht gut an.
»Ein paar Monate, höchstens ein halbes Jahr, aber vermutlich kürzer«, sagte sie und sah ihm ungeniert ins Gesicht.
Er nickte, nahm das Bierglas und führte es an die Lippen,
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