Tod in der Walpurgisnacht
wiederzusehen«, sagte sie und nahm Claessons Hand in ihre beiden Hände; sie waren warm, und es durchfuhr ihn wie ein elektrischer Schlag. Sie lächelte ihn mit kokett schief gelegtem Kopf an.
In diesem Augenblick ging ein Tagtraum wie ein Glas auf einem Steinfußboden zu Bruch. Claesson versuchte, seine Verlegenheit zu verbergen und die Splitter aufzufegen. Und dann dieser furchtbare Butter, der dastand und im Glanze seiner herrlichen Ehefrau drauflosquasselte. Claesson war klar, dass Butter schon vor langer Zeit seine Pranken auf diese strahlend schöne Frau gelegt haben musste. Aber der Stachel war da, die Eifersucht war zu ertragen, brauchte jetzt aber ihren Raum.
Am meisten enttäuschte ihn, dass das Spiel jetzt definitiv zu Ende war, noch ehe er irgendwelche Abzweigungen in die Wirklichkeit genommen hatte. Er würde dieser Frau nie nahe kommen, zumindest nicht so nahe, wie er es sich zeitweilig erträumt hatte. Und das war gut so und befreiend. Er liebte Veronika und hatte nicht im Entferntesten daran gedacht, das aufs Spiel zu setzen. Er wollte einfach nur ein bisschen naschen.
Butter erzählte etwas von einem Sohn, dem Sohn von Butter und Linda. Claesson sah auf dem Klavier ein Farbfoto in einem Rahmen, das einen Jungen von sechs oder sieben Jahren mit einer Schneidezahnlücke zeigte. Wahrscheinlich war das Foto nicht mehr ganz neu.
Sie setzten sich zu Tisch, und es gab Omelett und golden gebratene Würstchen mit Salat und ein gutes, wahrscheinlich selbstgebackenes Brot mit Butter und kräftigem Käse dazu. Leichtbier und dann Kaffee und Zuckerkuchen. Es schmeckte richtig gut.
Zunächst gestalteten sich die Gespräche recht neutral. Dann lockerte sich das ein wenig, doch erhielten sie keine verwendbaren Informationen. Die Gastgeber waren relativ neu in der Gemeinde, und im Hinblick auf ihre Stellung konnten sie nicht richtig sagen, was im Ort geredet wurde.
»Außer dass ich natürlich davon ausgehe, dass auch über mich getratscht wird«, lachte Butter, »aber so ist das nun mal als Chef.«
Claesson und Lundin blieben nicht lange.
»Meine Güte, warst du schweigsam«, sagte Lundin im Auto.
»Findest du?«, meinte Claesson und versuchte, erstaunt zu klingen. »Ähm, ich denke darüber nach, wie wir weitermachen sollen.«
»Ah so. Nun, viele Wege führen nach Rom«, erwiderte Lundin.
»Aber man möchte gern den schnellsten wählen.«
Da sahen sie Mattias Skoglund zusammen mit einem jungen Mann, den sie noch nie gesehen hatten, mit schnellen Schritten zur Hütte gehen. Die beiden unterhielten sich angeregt und gingen entspannt, so wie man es tut, wenn einem die Gesellschaft angenehm ist. Diese beiden kennen sich gut, dachte Claesson und fragte Lundin, ob er den anderen kenne.
»Nee, nächste Frage«, entgegnete dieser.
Sie parkten vor dem Folkets Hus, blieben aber im Auto sitzen. Claesson versuchte, Veronika zu erreichen. Lundin hingegen versuchte, diesen Schmelzer, Karl-Ove Hedman, zu sprechen, um zu hören, ob er in der Nacht auf Walpurgis aus der Hütte geschaut hatte. Vielleicht konnten sie aus ihm herausbekommen, dass er Motorengeräusche gehört oder noch besser ein Auto gesehen hatte. Karl-Ove war zu Hause, und Lundin kündigte seinen Besuch an.
»Mona hat gegen drei Uhr morgens Scheinwerfer gesehen und auch ein Motorengeräusch gehört«, sagte Lundin, »und auf sie kann man sich verlassen.«
»Drei Uhr ist eine gute Zeit, um eine Leiche verschwinden zu lassen«, meinte Claesson, »da ist kaum jemand unterwegs.«
Kapitel 55
Hilda, Freitag, den 29. April 2011
D ie Nase lief, die Augen waren rot, und am nächsten Tag sollte Hilda nach Hjortfors fahren, um Walpurgis zu feiern. Eine ganz einfache Erkältung, aber sie hoffte, dass es über Nacht besser würde, denn es wäre keine Freude, an einem Maifeuer zu frieren. Aber nach Hjortfors zu fahren, war eine Freude, der Ort und vor allem Sam zogen sie an.
Sie hatte den Tag über die Runden gebracht, ohne jemandem ins Gesicht zu niesen. Weil sie ein schlechtes Gewissen hatte, desinfizierte sie sich noch häufiger als sonst die Hände. Viele Kollegen hatten vor dem Wochenende frei genommen, und sie hatte beschlossen, sich solidarisch zu zeigen und nicht zu Hause im Bett zu bleiben. Nicht wegen einer stinknormalen Erkältung.
Obwohl erst Freitag war, herrschte ein wenig Feiertagsstimmung. Viele Patienten waren entlassen worden, und nur noch die wirklich kranken Patienten waren da. Die Ambulanz war voll gewesen, als ob die Leute vor den
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