Tod in der Walpurgisnacht
vergaß sofort ihre schmerzenden Schultern und bat sie, Stoff und Modell bis ins kleinste Detail zu beschreiben. Sie holte sogar einen Block, so dass Hilda es aufmalen konnte. Robert freute sich über die beiden.
»Ach, das klingt so schön«, sagte Britta-Stina, und ihre Augen wurden wach und lebendig. »Was du alles kannst!«
»Und du erst«, sagte Hilda. »Schließlich hast du mir das beigebracht.«
Britta-Stina senkte geniert den Blick. Hilda sah, dass sie vor Glück fast weinte. Sie, die doch von sich glaubte, zu nichts zu taugen.
»Wohin fährst du morgen gleich noch?«, fragte Robert.
Hilda war gerade dabei sich zu schnäuzen und erhielt so ein paar Sekunden Bedenkzeit und beschloss, nicht weiter zu lügen.
»Nach Hjortfors«, antwortete sie.
Schweigen senkte sich über den Tisch. Dann stand Britta-Stina auf.
»Jetzt decke ich mal ab, und dann gibt es Nachtisch. Obstsalat und Eis, das wäre doch was, oder?«
Hilda hatte sich mit Aspirin gedopt, und es ging ihr einigermaßen. Der schlimmste Teil der Erkältung war vorüber, aber die Nase lief. Sie eilte zur Bushaltestelle. Es war Walpurgis, aber trotzdem war der Bus nach Hjortfors fast voll. Offensichtlich planten viele, das Wochenende auf dem Lande zu verbringen.
Der Bus hielt ein Stück weit von der Glashütte. Hilda stieg aus und ging zum Haus. Sam hatte den Schlüssel draußen deponiert, denn es war nicht sicher, ob er es rechtzeitig schaffen würde. Er hatte aber versprochen, noch einzukaufen.
Als sie die Betontreppe im Sodavägen hochlief, war sie plötzlich wieder Schulkind. Sie schloss auf und versuchte, sich das Gefühl eines ganz gewöhnlichen Tages zu bewahren, ohne Sorge und ohne Trauer, ganz in der Erinnerung der Zeit, als Mama und Papa noch lebten und Sam im Zimmer neben ihrem hauste.
Kurze Zeit konnte sie sich das erhalten, und es war erholsam. Dann klopfte es an der Tür.
Draußen stand ein Mann in ihrem Alter und fragte nach Samuel.
»Er ist nicht zu Hause«, sagte sie.
Daraufhin reichte er ihr einen Kerzenleuchter aus Glas.
»Bitte geben Sie den Sam«, sagte er und wirkte dabei ziemlich unsicher. »Sie können ihm sagen, dass er jetzt eine neue Fassung für die Kerze hat.«
Sie nickte und nahm den Leuchter entgegen. Es war nicht schwer zu raten, wer das war.
Doch hatte er sie auch erkannt?
Mit dem Kerzenleuchter in der Hand stellte sie sich ans Fenster und sah ihn aufs Fahrrad steigen, auf den Sodavägen einbiegen und an dem grünen Haus vorbei Richtung Dorf radeln.
Er sah nett aus und ein bisschen schüchtern, fand sie. Wie schön, dass es ihm gut ergangen war. Bei dem Vater.
Der Kerzenleuchter war aus mattiertem Glas. Sie stellte ihn zu den anderen Prototypen in ihrem alten Wohnzimmer, das jetzt Sams Arbeitszimmer war. Sie betrachtete den Leuchter eingehend und überlegte, wie er wohl in klarem Glas aussehen würde. Natürlich hatte Sam schon darüber nachgedacht. Dann würde sich das Licht darin spiegeln. Doch schön war er in jedem Fall.
Sie half Sam, die Lebensmittel auszupacken. Sie schniefte, riss sich ein Stückchen Küchenpapier ab und schnäuzte sich. Er holte einen großen Topf heraus, denn er wollte Paella machen.
»Ich habe Wein«, sagte er und zeigte auf die Speisekammer.
Er selbst nahm sich eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank. Er goss ihr ein Glas Weißwein ein und Wasser für sich.
»Prost!«
»Prost!«, erwiderte sie. »Du trinkst keinen Alkohol«, stellte sie fest.
»Nein.«
»Das ist mir aufgefallen. Hast du keine Lust, oder ist das ein Prinzip?«
»Ich bin trockener Alkoholiker, wie man so schön sagt«, antwortete er und lächelte. »Und das habe ich auch vor zu bleiben, jetzt, da ich mein Leben zurückgewonnen habe.«
»War es denn so schlimm?«
»Ja, es war so schlimm. Alkoholvergiftung, Intensivstation und keine Zukunft, obwohl ich so begabt war. Jetzt passe ich lieber auf das kleine Talent auf, das ich habe«, grinste er, und sie prosteten sich noch einmal zu.
Hoffentlich bleibt das auch so, dachte sie.
Kapitel 56
L ouise Jasinski fuhr durch den Ort. Es war zwar nicht viel Verkehr, aber es waren doch ein paar Autos und Passanten unterwegs. Sie bog in den Sodavägen ein.
Claesson hatte sie mit diversen Informationen versehen, die sie beachten sollte, darunter Arsenikvergiftung, Autosabotage und eine verschwundene Krankenakte. Sie versuchte, das alles im Hinterkopf zu behalten.
Zunächst einmal hatte sie beschlossen, tiefer nachzubohren, was vor zwanzig Jahren mit den
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