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Tod in der Walpurgisnacht

Tod in der Walpurgisnacht

Titel: Tod in der Walpurgisnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Wahlberg
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gewesen war, müsste so gut wie jede Situation meistern können. Doch so einfach war das nicht. Sie waren weder rettende Engel noch Götter, sondern einfach nur Menschen.
    Wollte die leise stöhnende Frau wirklich sterben? Sie hatte ein Kind. Das Mädchen, das draußen vor der Tür saß. War Gottes Wort mächtig genug, um sie in den Tod zu treiben, oder folgte sie lediglich dem Gesetz des geringsten Widerstands?
    Das Mädchen war im Grundschulalter und saß völlig ahnungslos vor der Tür und blätterte in einer Comiczeitung. Sie hatten die Schwestern gebeten, nach ihm zu sehen. Der Mann, der mitgekommen war, hatte etwas Unangenehmes, daran erinnerte sich Veronika. Sanft, kriecherisch und stur hielt er an seinen Worten fest, ließ sich nicht davon beirren und verängstigen, dass Tingström und sie erklärten, dass sie allein mit Blutplasma ihr Leben nicht würden retten können. Dass das Mädchen doch seine Mutter bräuchte. Doch es war, als würde er seine Macht fast genießen. Die schwer kranke Frau hielt seine Hand. Oder war er es, der sie nicht losließ?
    Veronika starrte auf die Wand, an die Hilda ein Foto von sich in Operationskleidern geheftet hatte.
    Da erst fiel der Groschen. Hilda, Liebes, sagte sie zu sich selbst. Warst du das, die damals vor langer Zeit mit deiner sterbenden Mutter kamst? Veronika beruhigte sich bei dem Gedanken und empfand eine seltsame Nähe zu Hilda, eine Innerlichkeit, wie sie nur besondere gemeinsame Erlebnisse geben konnten. Hilda Glas. Der Nachname war ungewöhnlich, und natürlich gab es noch andere, die Hilda Glas hießen, aber das musste sie sein.
    Veronika blätterte weiter in der Akte, ging Todeszeit und Todesursachenbericht durch, unter denen ihr Name stand, sah die Laborlisten durch und die Liste der verabreichten Flüssigkeiten, die nur kurz war. Dazu das Berichtsblatt der Krankenschwester. Unter der Rubrik »nahe Angehörige« stand mit schwarzem Kugelschreiber: »Johannes Skoglund, Nachbar und guter Freund.«
    Sie zog die Augenbrauen hoch, drehte sich zum Fenster und sah weiße Wolken gemächlich vorbeiziehen. Sie versuchte zu verstehen. Meine Güte, Johannes Skoglund! Das war die zweite Überraschung innerhalb kurzer Zeit. Sie hatte ihn nicht wiedererkannt, als er Jahre später ihr Patient geworden war. Das Leben hatte Johannes Skoglund nichts erspart. Das geschah ihm recht, dachte sie mit wachsender Aggressivität und schlug die Mappe zu. Am liebsten wäre sie gleich zu Hilda in die Ambulanz gelaufen und hätte mit ihr gesprochen, doch das war wohl kaum angeraten. Ein Gespräch dieser Art erforderte Zeit für Tränen. Das musste warten, bis sie mal allein waren.

Kapitel 58
    Hilda, Mittwoch, den 4. Mai 2011
    S eine Wange lag warm an der ihren, eine wogende, wunderbare Wärme. Sie schloss die Augen und drückte das Gesicht noch mehr an seines. Wollte verschmelzen. Seine fürsorglichen Hände hielten ihren Kopf.
    Eine Zeitlang hatte sie geglaubt, er würde gar nicht aus Ägypten wiederkommen. Wie ausgesprochen dumm von dir, hatte er da zu ihr gesagt. War doch klar, dass er zurückkommen würde. Er hätte am Vormittag kommen sollen, aber das Flugzeug war verspätet gewesen, und deshalb war er erst vor ein paar Stunden nach Oskarshamn und dann direkt zur Arbeit gegangen.
    »Eine ganz schöne Strecke!«, sagte sie.
    Sie standen ganz still und schmiegten sich aneinander. Mehr brauche ich nicht, dachte Hilda. Jedenfalls im Moment. Ich will nichts anderes, als einfach nur hier stehen.
    Sie hatten sich in den Medikamentenvorrat geschlichen. Jens war der einzige von den Pflegern, der im Dienst einen Grund hatte, hier reinzugehen. Die Operationssäle waren leer und dunkel. Erst am nächsten Tag würde es wieder Operationen geben, wenngleich natürlich akute Fälle kommen konnten. Deshalb war er da. Für den Fall, dass.
    Das Feuer im Leib hatte sie die Treppe hochgetrieben. Jens hatte sie angerufen, als es in der Ambulanz einigermaßen ruhig war und es auch auf den Stationen nichts für sie zu tun gab. Es war 22:20 Uhr.
    »Die Luft ist rein«, sagte er.
    »Liebe im Krankenhaus«, kicherte sie.
    »Unbedingt«, erwiderte er.
    Sie nahm die Passierkarte zum Umkleidezimmer, setzte die grüne Papiermütze auf, zog sich aber nicht um. Dann schaute sie vorsichtig zum Flur hinaus. Da tauchte er auf. Lächelte und öffnete die Arme. Sie hatte einen Kloß im Hals, und es pochte im Unterleib und wurde feucht, als er sie in den kurzen, menschenleeren Flur zog, sie ins Medikamentenzimmer schob

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