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Tod in der Walpurgisnacht

Tod in der Walpurgisnacht

Titel: Tod in der Walpurgisnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Wahlberg
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Geruch von Papa. Sie erinnerte sich an die Absaugschläuche, die übers Dach liefen und sich wie Schlangen in die verschiedenen Werkstätten im Innern der Hütte schlängelten. Es glühte, dröhnte und dampfte vor Arbeit. Alle in der Schicht waren ganz gewöhnliche Männer in kurzärmeligen Hemden und groben Arbeitsschuhen. Sie kannte sie alle! Normale Väter und Männer, aber das, was sie mit diesen heißen, glühenden Glasklumpen anstellten, war etwas Besonderes und unvergleichlich. Die Arbeit in der Hütte wurde oft vom Vater an den Sohn weitergegeben. Die Mütter arbeiteten in der Warenkontrolle, in der Packerei, in der Malerwerkstatt oder der Schleiferei. Oder im Laden. Oder im Büro, aber das zählte nicht.
    Sie begriff jetzt, dass es das alles noch gab, und ließ sich von den Erinnerungen überspülen. Und es war vollkommen in Ordnung, den Blickfang in der Küche auf dem dunklen, marmornen Fensterbrett zu haben.
    Als sie aus dem Küchenfenster schaute, nahm sie die Bilder mit aus jener Zeit, als alles so war, wie es sein sollte, als sie eine ganz normale Familie waren. Aber auch, als alles von innen nach außen gekehrt war. Als sie nicht sie selbst war.
    Sie konnte wählen, das wurde ihr jetzt klar, denn wenn sie das Regal ihrer Erinnerungen betrachtete, dann erinnerte sie sich nur an das, was sie wollte.
    Sie machte die Kühlschranktür auf. Ein Liter fettarme Milch, aber keine Dickmilch. Im Moment war sie ganz wild auf Dickmilch, wahrscheinlich, weil sie keine im Haus hatte.
    Sie setzte Wasser auf. Britta-Stina hatte ihr in einem Anfall mütterlicher Fürsorge einen Wasserkocher geschenkt. Sie hatte sich wirklich aufrichtig über das Geschenk gefreut. Nun gab sie Milch und Pulverkaffee in eine Tasse und stellte sich an die Spüle und wartete, bis das Wasser kochte.
    Der Küchentisch war belegt. Normalerweise hätte sie sich nicht beherrschen können und sich dort niedergelassen. Jetzt stand sie mit verschränkten Armen da und starrte nur auf all die Stofffetzen und abgeschnittenen Fadenenden, die sich auf dem Fußboden ringelten. Das immer noch nicht ganz fertige Kleid hing über einer Stuhllehne. Es hatte keine Ärmel, war aber trotzdem kein richtiges Hängerchen. Sie wollte ein langärmeliges T-Shirt darunter tragen, vielleicht würde sie ein anthrazitfarbenes finden. Schwarz würde auch gut gehen. Vielleicht ein etwas zu harter Kontrast, aber möglich.
    Der Wollstoff war jadegrün und kratzte nicht – da war sie empfindlich. Er war weich und geschmeidig, einfach wunderbar, gute Qualität und eigentlich schweineteuer. Sie hatte den Stoff in einem Laden auf der Kalendegatan in Malmö entdeckt. Er wurde zum halben Preis verkauft, weil nur noch so wenig auf dem Ballen war.
    Aber es reichte für ein Kleid ohne Ärmel. Die begrenzte Stoffmenge bestimmte das Modell. Auf den Schultern sollten zur Dekoration große Plastikknöpfe mit vier großen Löchern sitzen, dort wo das Rückenteil etwas verlängert worden war. Auf jeder Seite zwei Knöpfe. Die hatte sie in dem Laden gefunden, der für jemanden wie sie einfach ein Traum war.
    Sie goss das heiße Wasser in die Tasse, machte sich ein Knäckebrot mit Kaviar aus der Tube und ging ins Schlafzimmer. Dort setzte sie sich auf das ungemachte Bett, holte sich den Computer heran und ging ins Netz. Sie suchte nach Samuel Glas. Keine Treffer. Sie versuchte es mit Sam Glas und kombinierte die beiden Varianten von Vornamen mit »Lager« als Nachname. Auch diesmal keine Treffer. Sie rief die Auskunft über ihr Handy an und bat um die Nummer von Sam. Sie war nicht zu finden. Sie versuchte es bei Facebook, aber auch da gab es ihn nicht.
    Wo war er bloß?
    Das letzte Mal, als sie Kontakt zu ihm gehabt hatte, hatte er in Stockholm gewohnt. Natürlich. Wenn man gern verschwinden wollte, dann wohnte man dort. Oder in Kopenhagen, dort hatte er sich früher aufgehalten.
    In Stockholm hatte er eine Ausstellung gehabt, irgendwo in Vasastan. Nichts Eigenes, sondern vier Künstler, die der Galerist gleichzeitig ausgestellt hatte. Sie hatte eine Einladung bekommen und auf der Karte sofort seine Art zu malen wiedererkannt. Er war gewaltsamer und in den Farben stärker geworden, mehr aus sich selbst herausgegangen.
    Jetzt bereute sie, dass sie sich nicht zusammengerissen hatte und hingefahren war. Den Gefallen hätte sie ihm ruhig mal tun können. Wenn sie nur hingegangen wäre und seine Bilder angeschaut hätte, wenn sie gesehen hätte, dass er wirklich etwas zustande gebracht hatte.

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