Tod in der Walpurgisnacht
einfach.
Sie war damals die einzige Kundin im Laden gewesen, und deshalb hatte die Frau, ohne darum gebeten worden zu sein, die Gelegenheit genutzt und erzählt. Sie lauschte gebannt und absorbierte die Details über Regionen, die sie doch so gut kannte. Da war sie Kind gewesen.
Und während sie zuhörte, schlugen die grazilen Laubkronen des Birkenhains aus, der Hjortsjön glitzerte schwarz und kühl zwischen den Baumstämmen, der hohe Schornstein der Glasfabrik ragte auf und zeigte ihr, dass sie nach Hause gekommen war. In der Erinnerung war es so. Starke Eichen, Nadelwald mit geraden Stämmen wie Säulenhallen, uralter Mischwald, Findlinge, Moos, Seen und Flüsse mit wilden Wasserfällen. All das hatte sie als Kind verinnerlicht, und es lag direkt hinter der Stadtgrenze von Oskarshamn bereit. Eine Natur, die weit entfernt war von den Buchenwäldern Skånes und den kultivierten Landschaften des Südens.
Die Dame an der Kasse war vorsichtig. Sie stellte keine Fragen. Vielleicht spürte sie, dass das zu persönlich werden würde. Hilda hörte zu, das spürte die Frau. Aber sie kam nicht in Versuchung sich zu verplappern, denn die Frau fragte nicht nach; hätte sie das getan, hätte Hilda den Laden Hals über Kopf verlassen müssen und nie wieder einen Fuß hineinsetzen können. Woher sie stammte, das war ihr Geheimnis.
Ruda, wo die schwere Schale gefertigt worden war, lag südlich von Högsby, nicht weit von Hjortfors entfernt, das noch weiter westlich lag. Natürlich wusste Hilda das, aber sie versuchte, ahnungslos zu wirken. Den Ort Ruda sah sie nicht vor sich, vielleicht war sie niemals dort gewesen. Als sie Kind war, hatte man sich an seinen Ort gehalten. Und später hatte sie ja in Oskarshamn gelebt.
Die Glashütte Hjortfors war nach wie vor in Betrieb, und die Frau ging davon aus, dass ihr das bekannt war. Schließlich war sie eine der bekannteren Glasbläsereien des Landes, die feine Glasservices und sogar Kunstobjekte herstellte. Die Glasfabrik lag am Rand der Gegend in Ost-Småland, die das Glasreich genannt wurde, weil der größte Teil der in Handarbeit produzierenden Glasindustrie dort angesiedelt war. Orrefors und Kosta waren die beiden bekanntesten Hütten. Aber Hilda hielt sich bedeckt.
Die Glashütte Ruda hingegen war in den Siebzigerjahren stillgelegt worden, und wie sie jetzt erfuhr, hatte man kürzlich den Boden saniert, der mit allen Schwermetallen belastet gewesen war, die für das Glasgemenge verwendet wurden. Arsenik, Kadmium, Kobalt und was nicht alles. Die Frau war gesprächig, das war nett.
Es war also ein großer Schritt, den sie gewagt hatte, als sie die Gegenstände in Papier packte und nach Hause trug. Als würde man alte Verwandte mit nach Hause bringen, denen man nie zuvor begegnet war und die einem fremd und gleichzeitig vertraut waren. Das gemeinsame Erbe.
Plötzlich schlugen ihr die Hitze und das Lärmen der Hütte entgegen. Sie ist klein und ist zufällig dort, im Zentrum der Glasfabrik, in der Hütte. Es ist aufregend und spannend, denn es war strengstens verboten, dort zu sein. Kein Spielplatz, vielmehr gefährlich für Kinder. Aber verlockend, denn was sie dort drinnen machten, war magisch.
Wie oft war sie mit Papa dort gewesen? Oder mit den Touristengruppen, die Mama führte? Oder mit der Schulklasse? Vielleicht aber hatte sie auch den Hausschlüssel vergessen und Mama nicht gefunden und war deshalb zu Papa gegangen und hatte mit baumelnden Beinen auf einem Stuhl gesessen und gewartet, mit der strengen Anweisung, nicht im Weg zu stehen. Erstaunt schaute sie durch den Raum, beobachtete die Glasarbeiter an den Schmelzöfen, die die heiße Glasmasse abnahmen und sie von einem Kölbel zu einer Form bliesen.
Als sie später nach Hause kamen, erzählte Papa, dass früher, zur Zeit seines Großvaters, die Jungen schon im Alter von acht, neun Jahren anfingen, in der Hütte zu arbeiten. Und das, obwohl es ein Gesetz gab, nach dem sie mindestens zwölf sein mussten. Natürlich schickte man sie schnell nach Hause, wenn die Gewerbeaufsicht kam. Die Hüttenjungen, wie sie genannt wurden, mussten die Formen halten, in denen der Glasbläser das Glas aufblies, sie holten Holz, legten Werkzeug zurecht, schleppten Wasser und weckten des Morgens den Meister. Mit dem Schulbesuch kamen sie dann natürlich ziemlich ins Hintertreffen.
Daran erinnerte sie sich jetzt. Sie erinnerte sich an die tabakraue Stimme des Vaters, der erzählte, wie er mit vierzehn in der Fabrik angefangen hatte. Der
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