Tod in der Walpurgisnacht
einer Beziehung steht, der Verdacht eigentlich immer erst einmal gegen den Überbringer der Botschaft selbst.
Die Techniker hatten noch nie ein derart sauber geschrubbtes Haus gesehen wie das von den Rosenkvists, und schon das allein war verdächtig. Pär behauptete, die Frau hätte kürzlich Frühjahrsputz gemacht, was eine etwas dünne Erklärung war, da sie am Tag zuvor erst aus dem Krankenhaus gekommen war, wo sie wegen einer üblen Misshandlung, in deren Verlauf sie fast erdrosselt worden war, eine Nacht verbracht hatte.
Es war allerdings nicht der Ehemann gewesen, der ihr das angetan hatte, sondern eine außenstehende Person, die sich geirrt hatte. Tina war bei ihrem Liebhaber zu Hause gewesen, als dort eine wildfremde Person hereingestürmt kam und sie in dem Glauben, sie sei die Dame des Hauses, mit Fragen nach einem Teppich bedrängt hatte. Sie war dabei allein im Haus gewesen, denn ihr Liebhaber war unter einem Vorwand weggelockt worden. Im Grunde war diese Geschichte zum Lachen, aber das durfte man natürlich nicht sagen. Vor allem nicht, da »die Rose« ernsthaft misshandelt worden war. Manche Sünden straften sich selbst!
Am folgenden Tag holte Pär Rosenkvist seine Frau aus dem Krankenhaus, was überhaupt nicht so geplant war. Sowohl von Seiten des Pflegepersonals als auch der Polizei hatte man eine Art beschütztes Wohnen oder einen Kontakt zum Frauenhaus organisieren wollen, doch das hatte man noch gar nicht arrangieren können, als der Ehemann plötzlich im Krankenzimmer stand. Er hatte seine entlaufene Frau brav nach Hause chauffiert, berichtete er. Dann hatten sie einen schönen Abend ohne die Kinder gehabt, denn er hatte seine Eltern gebeten, auf sie aufzupassen. Als er am nächsten Morgen erwachte, war das Bett leer.
»Haben Sie schon mal von einem Fall gehört, in dem der Vermisste nach so langer Zeit zurückgekommen ist?«, fragte sie.
»Ja, natürlich!«, erwiderte er.
»Können Sie nicht noch mal etwas über die Statistik sagen?«, flehte sie.
Er holte tief Luft. Geduld, verlass mich nicht!, dachte er. Wie oft hatten sie darüber schon geredet. Es war, als würde man einem Kind zum Trost wieder und wieder dasselbe Märchen erzählen.
»Jedes Jahr werden circa siebentausend Menschen in Schweden als vermisst gemeldet, wovon ungefähr die Hälfte Frauen sind«, begann er. »Nach einer Woche beträgt diese Zahl noch circa zweihundertfünfzig Personen. Halbwüchsige, die nach Hause kommen, weil sie bei Freund oder Freundin übernachtet haben, Partner, die von sich hören lassen und sich vielleicht scheiden lassen oder auswandern wollen, die aber nicht tot sind.«
Sie saß mucksmäuschenstill da und hing an seinen Lippen.
»Die meisten sind also nicht für immer verschwunden«, ergänzte sie hoffnungsvoll.
Er nickte bestätigend.
»Wenn es doch mit Tina auch so wäre«, sagte sie und seufzte.
»Ich habe die Mutter von dieser Vermissten aus deinem Zimmer kommen sehen«, sagte Benny Grahn und pustete auf den heißen Kaffee, während er nach dem Namen suchte.
»Yvonne Almgren. Ja, die Mutter von Tina Rosenkvist. Sie kommt von Zeit zu Zeit vorbei«, erwiderte Claesson.
»Wie geht es ihr jetzt?«, erkundigte sich Peter Berg.
»Na ja, wie zu erwarten. Verhärmt. Am Ende setzt es sich einfach fest, nagt rund um die Uhr.«
»War der Mann nicht dabei?«, fragte Berg.
Claesson schüttelte den Kopf. »Der ist aus anderem Holz, das hat sie selbst gesagt. Scheint, als würde er eigene Nachforschungen betreiben.«
»Von mir aus«, erwiderte Benny Grahn, der auch mit dem Fall zu tun gehabt hatte. Als Hauptverantwortlicher der Spurensicherung hatte er das Haus der Rosenkvists auf den Kopf gestellt.
Sie waren früh zu der Überzeugung gekommen, dass es sich um ein Verbrechen handeln konnte, und der erste Verdächtige war der Ehemann, denn sie begannen immer im direkten Umfeld des Opfers mit der Suche. Man suchte nach Menschen, deren Lebenswege sich irgendwann, vielleicht sogar schon in der Kindheit, gekreuzt hatten. Es gab nur sehr wenige echte Zufälle.
»Hallo miteinander!«, rief Louise Jasinski und setzte sich zu ihnen an den Tisch.
Sie nahm einen großen Bissen von einem grünen Apfel, die andere Hand umschloss die Kaffeetasse.
»Heute ganz gesund?«, fragte Benny Grahn und glotzte auf den Apfel.
»Yes! Ich werde nach der Arbeit eine Runde ins Fitnessstudio gehen, und da muss ich schon mal den Blutzuckerspiegel hochschrauben.«
Die anderen starrten sie an und hörten zu, wie der Apfel
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