Tod in der Walpurgisnacht
zwischen ihren Kiefern zermahlen wurde. Claesson bog den Oberkörper nach hinten, zog den Bauch ein und stopfte das Hemd in die Hose, als wollte er sich vergewissern, dass er eine Taille hatte und keinen Bierbauch.
»Da kriegst du gleich ein schlechtes Gewissen, was?«, fragte sie und warf ihm einen raschen Blick zu.
»Ja, allerdings! Es ist echt schwer, mit dem Training hinterherzukommen …«
»Worüber habt ihr geredet?«
»Tina Rosenkvist«, sagten alle wie aus einem Mund.
»Es ist doch zum Verzweifeln, dass wir nichts gefunden haben, womit wir ihn festnageln konnten«, sagte Peter Berg.
»Früher oder später wird sie auftauchen«, erklärte Benny Grahn, und das wussten sie natürlich alle.
Es könnte aber auch später sein. Der Gedanke, dass Pär Rosenkvist seine Frau in der einen oder anderen Form oder an dem einen oder anderen Ort hatte verschwinden lassen, war natürlich jedem von ihnen bereits gekommen.
Pär Rosenkvist hatte behauptet, seine Frau habe eine Tasche gepackt und sei abgehauen, während er in seinem Bett nichtsahnend geschlummert hatte. Ihre Schultertasche war tatsächlich nie aufgefunden worden. Die Arbeitskollegen waren sicher, dass es sich um keine große Tasche, sondern mehr um eine Handtasche handelte, die außer Handy, Schminkutensilien und Brieftasche vielleicht noch für eine Zahnbürste und ein paar Unterhosen Platz geboten hätte. Keines dieser Besitztümer hatten sie gefunden, weshalb man annahm, dass sie mit ihr verschwunden waren.
Frauen, die vor ihren Männern flohen, weil sie misshandelt wurden, gingen oft auf geradem Weg in den Kleidern aus der Tür, die sie am Leib trugen, und hatten im besten Fall noch eine Kreditkarte dabei, um die erste Zeit über die Runden zu kommen. Sie wollten den Partner nicht dadurch vorwarnen, dass sie eine Reisetasche oder einen Koffer packten, denn dann war nur zu klar, wer mit steigendem Adrenalinspiegel vor der Tür stehen würde.
»Ich wette, dass Pär Rosenkvist sie ertränkt oder vergraben hat«, sagte Benny Grahn, um das Gespräch wiederzubeleben. »Vielleicht hat er eine neue Donna am Laufen. Manche Männer finden leicht eine Neue, denn viele Frauen fühlen sich vom Kriminellen angezogen. Haben wir eigentlich alle Brunnen gecheckt?«
»Alle Brunnen?«, fragte Claesson.
»Ja, diese tiefen Wasserbrunnen auf dem Land«, erklärte Grahn.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir alle gecheckt haben«, meinte Peter Berg. »Es gibt eine Menge roter Hütten mit eigenem Brunnen. Nicht gerade lustig, da jeden Deckel aufzumachen.«
Alle zogen die Mundwinkel herunter.
Claesson war sich bewusst, dass er nicht alle Schritte bei der Suche nach der »Rose« genau verfolgt hatte. Aber er betrachtete die Wahrscheinlichkeit, dass sie noch am Leben war, als äußerst gering.
Kapitel 5
Hilda, Dienstag, den 1. Februar 2011
D as Erste, worauf Hildas Blick fiel, als sie in die Küche kam, waren die Glasobjekte auf dem Fensterbrett. Das Nachmittagslicht spielte in dem lila gefärbten und sogar in dem dunkel getönten Glas und warf farbige Streifen in die Küche; es verlieh damit der ganzen ziemlich nüchtern eingerichteten Wohnung immerhin ein wenig Atmosphäre. Auch die postgelbe, abgenutzte Kommode tat ihren Teil dazu.
Eines Tages hatte sie mit den Glasobjekten vor der Frau an der Kasse des Flohmarkts gestanden, die lila Glasvase mit schmalem Hals und die dunkle Schale aus dickem Rauchglas mit einem groben Relief auf der Außenseite in der Hand, in die sie jetzt immer die Wohnungs- und Fahrradschlüssel legte. Sie kaufte diese Glasobjekte aus sentimentalen Gründen und spürte, wie dabei ihre Brust bebte. Bisher hatte sie um alles, was mit Glas und Glasbläserei zu tun hatte, einen großen Bogen gemacht. Doch jetzt erinnerte sie sich an immer mehr: die Farben, die durchsichtig oder milchig waren, die Formen, die weich und verspielt sein konnten oder streng und elegant, dickes und robustes Glas oder dünnes und fragiles. In ihrem Kopf tauchten Glasobjekte unterschiedlichster Sorte auf, und sie ließ es geschehen und hielt sie nicht auf. Es war an der Zeit sich zu erinnern, trotz allem.
Die Vase war in der Glasbläserei zu Hause in Hjortfors hergestellt worden, und natürlich hatte sie sie sofort wiedererkannt. Die Schale hingegen, so sagte die Frau, die den Flohmarkt betrieb, stammte aus Ruda. Sie war schwer und eigentlich klobig. Sehr viel Glas fürs Geld! Sie konnte nicht sagen, warum sie die Schale sofort haben wollte, aber so war es
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