Tod in der Walpurgisnacht
Christoffer Daun? Sein Name taucht so oft auf, und alle finden ihn einfach wunderbar«, sagte sie und wandte sich Veronika und Fresia zu.
Die beiden sahen einander an, zogen die Augenbrauen hoch und wägten gegenseitig ab, wer den Mund aufmachen sollte.
»Er hat hier aufgehört, als Tina verschwunden ist«, sagte Veronika schließlich.
»Tina?«
»Ja, eine von den Krankenschwestern hier auf der Station«, erklärte Fresia. »Tina Rosenkvist.«
»Verschwunden?«
»Ja, sie ist vor knapp einem Jahr verschwunden. Niemand weiß, wo sie ist, aber man geht wohl davon aus, dass sie nicht mehr am Leben ist.«
»Wie furchtbar! Und was hat Christoffer Daun mit der Sache zu tun? Waren sie verheiratet?«
Veronika und Fresia schüttelten die Köpfe und tauschten erneut Blicke.
»Ziemlich wenig miteinander verheiratet, aber dafür jeder für sich verheiratet«, erklärte Veronika schließlich.
»Ach so«, sagte Hilda und versuchte so auszusehen, als ob sie alles kristallklar begreifen würde. »Sie waren also zusammen?«
»Das weiß keiner genau. Sie können ja auch nur Freunde gewesen sein, also keine Liebesbeziehung gehabt haben, aber es glauben anscheinend viele, dass sie doch was miteinander hatten«, sagte Fresia und schnalzte mit der Zunge. »Tina ist bei Christoffer zu Hause von einem fremden Mann niedergeschlagen worden. Sie wohnen beide in Bråbo, und auf dem Land kennt sich schließlich jeder. Dann lag sie eine Nacht hier auf der Station, und ihr Mann, also ihr Ehemann, hat sie abgeholt, obwohl das überhaupt nicht so geplant war, und seither hat sie niemand mehr gesehen.«
Hilda hatte während eines Besuchs in Oskarshamn von Britta-Stina von der Sache gehört, aber nur mit halbem Ohr zugehört.
»Christoffer Daun betört alle, aber im Grunde seines Herzens ist er sehr unsicher, nicht zuletzt als Arzt«, fügte Fresia hinzu. »Er ist so ein Typ, der die ganze Zeit geliebt werden will. Den müsste man echt mal auf die Couch schicken.« Sie verdrehte die braunen Augen. »Wenn bei solchen Leuten eine Therapie überhaupt hilft, ich bin ja kein Psychologe. Aber die Sache mit Tina ist wirklich schlimm.«
»Wo ist dieser Christoffer Daun hin?«, fragte Hilda.
»Er wohnt wohl noch in Bråbo, ist aber dabei, zum Bezirksarzt umzusatteln«, sagte Veronika. »Ich weiß nicht genau, wo er jetzt arbeitet, vielleicht in Blomstermåla?«
»War es nicht Högsby?«, berichtigte Fresia sie. »Seine Frau hat ihn nach der ganzen Sache verlassen, was man ja verstehen kann. Sie heißt Annelie, und ich habe gehört, dass sie in Stockholm Teppichhändlerin geworden ist. Richtig gute Teppiche, orientalische.«
»Ja, möglich«, meinte Veronika und erhob sich. »Ich muss jetzt gehen. Tschüss!«
Kapitel 7
Hilda, Mittwoch, den 2. März 2011
A ls Hilda ihr Fahrrad vor dem Reihenhaus am Axel-Munthes-Stig abstellte, hatte der Regen zwar etwas nachgelassen, aber sie sah trotzdem aus wie eine ertränkte Katze. Schnell schlüpfte sie durch die Tür und stellte sich auf die Fußmatte, die jeden Besucher mit roten Buchstaben »Willkommen« hieß. Britta-Stina hatte sie schon durchs Fenster gesehen und kam in den Flur geeilt.
»Du bist ja klitschnass! Zieh schnell die Sachen aus, dann hängen wir sie im Badezimmer zum Trocknen auf!«, rief sie und half Hilda fürsorglich aus den Kleidern. »Möchtest du einen Pullover?«
Hilda nickte zitternd, und Britta-Stina kam mit einem Wollpulli, der vorne ein irisches Zopfmuster hatte. Es roch gut im Haus. Hilda ging in die Küche, nahm den Deckel vom Topf und sog die Gerüche ein, während ihre Nasenspitze von den Dämpfen auftaute.
»Herrlich!«, sagte sie und machte den Deckel wieder zu.
»Ossobuco«, erklärte Britta-Stina.
»Aha«, erwiderte Hilda und zog die Augenbrauen hoch. Sie hatte nicht viel Ahnung von Essen und verschiedenen Gerichten, doch ihr war klar, dass Britta-Stina sich ihretwegen Mühe gegeben hatte. Ein Gericht mit einem ausländischen Namen. Ossobuco. Das war etwas Feines, keine einfachen Klopse oder so.
»Ein klassisches italienisches Eintopfgericht mit Kalbfleisch. Ich dachte, das würde dir gefallen, schließlich magst du doch gerne Eintopf, und das hier ist auch nicht so herzhaft«, sagte Britta-Stina, die Hildas Geschmack kannte. Hilda sah die Furcht in Britta-Stinas Augen: Würde es gut genug sein?
Hinter Britta-Stinas Fürsorge verbarg sich die ewige Hoffnung, endlich von ihr akzeptiert zu werden. Hilda verdrängte diese Forderung und das Betteln um Anerkennung,
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