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Tod in der Walpurgisnacht

Tod in der Walpurgisnacht

Titel: Tod in der Walpurgisnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Wahlberg
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Druck und so wenig Spaß. So vieles musste richtig laufen, damit man ein guter Arzt wurde.
    »Du wirst es schaffen«, versicherte Veronika ihr. »Und manchmal passieren Fehler, das lernst du am besten auch gleich. Schließlich konstruieren und reparieren wir hier keine Autos, bei denen alle Teile immer gleich sind. Menschen sind unterschiedlich und die Krankheitsbilder ebenso, man kann sein Bestes geben, und dennoch wird es nicht zu Heilung oder Linderung führen. Die meisten von uns Ärzten haben geheime Schattenseiten mit Fehlgriffen und Fehlentscheidungen, mit Angst und mit Patienten, die uns für den Rest des Lebens hassen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir hier über einer Tasse Kaffee mal lachen können.«
    Abends sank sie todmüde an den Küchentisch, schaltete die Lampe ein, senkte den Nähmaschinenfuß und drückte aufs Pedal, hielt den Stoff mit sanftem Widerstand, während die Nadel sich vorarbeitete. Gleichmäßige schöne Stiche in Rot in den dunkelblauen Denimstoff, der einen Rock geben sollte. Das sanfte Surren der Nähmaschine, das leise Murmeln des Radios, geborgen und gut. Die Gedanken wanderten, wurden aber nur selten zu Ende geführt, sie warteten unfertig wie Knospen, die noch nicht reif waren.
    Sie hatte begonnen, sich vor der Wüste zu fürchten, die in einem Menschen herumstaubte und die einen nicht glücklich machte, sondern nur grau und niedergeschlagen. Wer wollte schon vertrocknen wie ein Stück Rinde? Wer wollte so werden wie Britta-Stina, die es trotzdem so gut meinte. Britta-Stina, die sie trotz allem mochte. Alles andere wäre unmöglich gewesen.
    Die Nähmaschine und die Küchenlampe standen zwischen allem, was sie eigentlich angehen sollte. Einen kleinen Schutzraum durfte sie sich schon gönnen.
    Die Luft in der Abseite war warm und stickig. Hilda war mit der Patientenarbeit für heute fertig. Sowohl Fresia, die relativ frischgebackene Fachärztin war, als auch Veronika waren Vollblutärztinnen, die mehr zu tun hatten, als sie schaffen konnten.
    »Verdammte Scheiße«, hörte sie Veronika fluchen. »Jetzt hat sich das Medikamentenmodul wieder aufgehängt, und das Rezept geht nicht zur Apotheke durch.« Mit der Sturheit einer Verrückten drückte sie den »Senden«-Button, in der Hoffnung, dass das elektronische Rezept endlich durchgehen würde. »Ich bin gleich fertig, warte, bis der Server wieder anspringt«, sagte sie zu Hilda. »Ich rate dir, schaff dir einen Zauberstab an … Wir haben so miese Software, weil die Einkäufer im Pflegebereich so wenig Ahnung haben und sich so leicht übers Ohr hauen lassen. Der öffentliche Sektor, du weißt schon. Die Steuergelder, mit denen man nicht so sorgfältig umgeht. Ein gewinnorientierter Betrieb würde niemals solche halbfertigen Lösungen akzeptieren.«
    Hilda verzog den Mund. Diese Klage hatte sie schon mal gehört, über den schlechteren Standard in öffentlichen Institutionen.
    »Du kannst meinen Computer nehmen«, sagte Fresia, die zuerst fertig war.
    Jetzt saßen sie alle drei in der Bude, und jetzt war die Situation noch viel günstiger für ein Gespräch, wenn man Lust darauf hatte. Aber Hilda hatte alle Fragen nach der Krankenakte ihrer Mutter verdrängt und wollte sie noch ein wenig auf sich beruhen lassen. Stattdessen loggte sie sich ein und klickte die Daten des Patienten an, dessen Abschlussbericht sie diktieren wollte. Dazu hielt sie das Diktaphon dicht an den Mund und flüsterte die Sätze fast, weil sie nicht wollte, dass die anderen ihre holprigen Formulierungen und die Wiederholungen hören sollten. Dann klickte sie ihre Unterschriftenliste an und begann, die Berichte gründlich zu lesen, ehe sie sie abzeichnete. Manchmal redigierte sie den Text, vor allem wenn Schreibfehler oder unschöne Formulierungen darin vorkamen. Sie wollte ganz sicher sein, auch nichts vergessen zu haben. Anderenfalls würde sie die Patienten für weitere Tests oder Untersuchungen kontaktieren.
    Unter den Ärzten, bei denen ihre Patienten zuvor gewesen waren, tauchte ein Name häufig auf: Christoffer Daun. Dieser Daun schien nicht mehr am Krankenhaus zu sein. Irgendetwas war mit ihm, zumindest wurde das aus den Reaktionen der Patienten deutlich. Sie sprachen von ihm als einem »einfach wunderbaren Arzt«, und dann bekamen ihre Gesichter einen verklärten Ausdruck. Bei den Kollegen in der Klinik dagegen herrschte über Daun wie über ein schwarzes Schaf in der Familie ein auffälliges Schweigen.
    Jetzt nahm Hilda Anlauf.
    »Wer ist eigentlich

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