Tod in der Walpurgisnacht
fragte er, und sie nickte und sah auf die Küchenuhr, die Viertel vor drei anzeigte.
»Vor einer knappen Stunde. Ich bin gegen eins, halb zwei in Växjö losgefahren.«
Von Växjö nach Hjortfors zu fahren dauerte ungefähr anderthalb Stunden, dachte Claesson und nickte Lena Jönsson zu, damit sie die Zeit notierte. Doch das hatte sie natürlich schon getan – Lena Jönsson war eine aufmerksame und schnell denkende Polizistin.
»Es ist wichtig für uns, so viele Informationen wie möglich zu sammeln. Wir wissen, dass das nicht leicht für Sie ist, aber wir sind dankbar, wenn Sie unsere Fragen beantworten, auch wenn sie Ihnen vielleicht unnötig oder zu persönlich erscheinen. Ist das möglich?«
»Ich bin hier«, erwiderte sie knapp und sah über den Küchentisch. »Fragen Sie nur.«
»Sie werden verstehen, dass wir wissen möchten, wo Sie waren.«
»Ich war bei meiner Schwester, die ernsthaft erkrankt war. Sonst hätte ich Johannes natürlich nicht über den Feiertag allein gelassen. Ich konnte ja auch nicht wissen, dass es ihm so schlecht ergehen würde«, stieß sie hervor und verzog das Gesicht, doch auch jetzt kamen keine Tränen. »Er war zwar nicht gesund, aber doch auch nicht sterbenskrank, so wie meine Schwester.«
Ihre Stimme verlor sich.
»Das war sehr viel auf einmal für Sie«, sagte Claesson teilnahmsvoll und musste daran denken, dass die Nachbarn ja gedacht hatten, Mariana Skoglund sei im Ausland. Wie kamen sie darauf? Er fragte nach.
»Ich hatte davon gesprochen, nach Berlin zu fahren, doch daraus wurde nichts, weil es meiner Schwester so schlecht ging«, erklärte sie.
»Woran leidet Ihre Schwester?«
»Litt«, korrigierte sie entschieden.
»Heißt das, dass sie verstorben ist?«
Sie nickte mehrmals, brachte aber keinen Laut heraus. Der angespannte Gesichtsausdruck verriet, dass ihr das Weinen im Hals steckte, die Augen schwammen in Tränen. Schließlich riss sie etwas Küchenpapier von der Rolle auf dem Tisch und schnäuzte sich.
»Demenz. Sie hatte seit langem Alzheimer und konnte nicht mehr allein zurechtkommen. Sie lebte in einem Heim, hatte aber ihre Wohnung noch behalten, und dort habe ich dann immer gewohnt. Es waren schließlich nur noch wir zwei übrig, ich habe keine weiteren Geschwister.«
Claesson bekam die Anschrift der Wohnung, die in einem Außenbezirk von Växjö lag.
Außerdem bekam er die Anschrift des Heimes für Demenzkranke in Växjö, in dem die Schwester gelebt hatte und das am anderen Ende der Stadt lag. Mariana Skoglund hatte das Auto gebraucht, um zwischen Wohnung und Heim hin- und herzufahren.
Nach Växjö war es nicht so weit, dass man nicht an einem Tag hin und zurück hätte fahren können. Claesson fragte sie, warum sie das nicht getan hatte, und sie sagte, dass sie das bisher auch immer getan hatte.
»Doch jetzt, da für meine Schwester das Ende so nahe war, wollte ich bei ihr sein«, sagte sie.
Das war viel geballte Trauer. Claesson verspürte wachsenden Widerwillen, sie mit Fragen zu bedrängen, wenngleich er natürlich auf keinen Fall die Gelegenheit verpassen durfte, sich ein strukturiertes Bild vom engsten Umkreis des Toten zu machen.
»Können Sie uns sagen, wann Sie gefahren sind, wie lange Sie bei Ihrer Schwester waren und wann Sie nach Hjortfors zurückgekehrt sind?«, bat er.
Sie seufzte tief. Dann listete sie alle Zeiten sorgfältig auf. Sie meinte, am Freitagnachmittag gegen vier Uhr nach Växjö gefahren zu sein.
»Ich habe nicht auf die Uhr geschaut, aber ich habe die Dreiuhrnachrichten im Radio gehört, und kurz danach haben sie vom Heim in Växjö angerufen.«
»Das war also am Tag vor Walpurgis«, verdeutlichte Claesson. Sie hielt inne und dachte nach.
»Ja, genau«, sagte sie dann. »Entschuldigen Sie bitte, aber in meinem Kopf geht gerade alles durcheinander, und es fällt mir schwer, die Tage auseinanderzuhalten.«
»Das kann ich gut verstehen. Erzählen Sie weiter«, ermunterte er sie.
»Die Schwestern aus dem Heim berichteten, dass es Inga-Lill sehr schlecht ginge und sie damit rechneten, dass sie bald sterben würde. Ich hatte plötzlich das Gefühl, als ginge es hier um wenige Stunden, habe nur das Allernötigste eingepackt und bin sofort losgestürzt.«
»Wie war es um Ihren Mann bestellt, als Sie wegfuhren?«, fragte Claesson.
»Wie immer. Er puzzelte mit seinem Kram herum und wartete darauf, dass Mattias vorbeikommen würde.«
»Und wie war die Stimmung zwischen Ihnen beiden?«
»Wie meinen Sie das?«
»Fand er
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