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Tod in der Walpurgisnacht

Tod in der Walpurgisnacht

Titel: Tod in der Walpurgisnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Wahlberg
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es in Ordnung, dass Sie wegfuhren?«
    »Natürlich tat er das. Johannes ist ein Mensch …«, begann sie und korrigierte sich dann, »Johannes war ein Mensch, der anderen gern den Vortritt ließ, und mit ihm war ja nichts. Zu dem Zeitpunkt.«
    »War er zu Hause, als Sie fuhren?«
    »Ja, das war er. Er wollte noch frisches Brot im Supermarkt kaufen, das hatte ich nicht mehr geschafft, und dann wollte er, wie gesagt, auf Mattias, unseren Sohn, warten. Der kommt nach der Arbeit immer vorbei.«
    »Ach so?«
    »Ja, die beiden sitzen dann zusammen und trinken einen Kaffee und plaudern ein bisschen oder schweigen auch.«
    »Und das tun sie jeden Tag?«
    »Im Großen und Ganzen, kann man sagen. Vielleicht fällt es mal aus, weil Johannes irgendein Treffen hat oder Mattias etwas anderes vorhat, aber sonst, ja.«
    Claesson stellte sich Vater und Sohn an diesem Küchentisch vor. Jeden Tag. Eine Sicherheit schaffende Routine. Eine Zeremonie. Oder war es etwas anderes? Vielleicht eine krankhafte Bindung? Das musste er rauskriegen.
    »Um welche Uhrzeit kommt Mattias in der Regel?«, fragte Claesson.
    »Er hört um Viertel nach drei in der Hütte auf, da fangen sie schon um sechs Uhr früh an. Und dann ist er so gegen halb vier zum Nachmittagskaffee hier. Ich sorge dann dafür, dass es besonders guten Aufschnitt oder etwas gibt, was Mattias gern mag. Johannes isst ja nicht mehr so viel, seit er krank geworden ist. Er trinkt nur noch seine Nährlösungen und isst ein bisschen, in kleinen Häppchen.«
    »Sie sind also weggefahren, als Johannes nach wie vor allein zu Hause war«, verdeutlichte Claesson.
    »Ja, genau.«
    »Und Mattias war noch nicht aufgetaucht?«
    »Nein.«
    »Hat jemand angerufen oder geklingelt, ehe Sie fuhren?«
    »Nein«, sagte sie. »Nein, es war gar nichts«, wiederholte sie. »Johannes sagte › fahr vorsichtig ‹ , und ich bin ins Auto gesprungen und sofort nach Växjö gefahren, wo ich dann bei meiner Schwester saß …«
    Sie verstummte.
    »Wie lange saßen Sie dort?«, fragte Claesson.
    »Bis sie starb«, erwiderte Mariana Skoglund, und ihre Unterlippe zitterte ein wenig.
    »Wann geschah das?«
    Mariana Skoglund starrte Claesson abwesend an, als ob er sich schämen müsste, eine solche Frage zu stellen. Doch er schwieg nur und wartete.
    »Irgendwann kurz nach Mitternacht, also in der Nacht vor Walpurgis. Ich hatte mich schon vor langer Zeit von ihr verabschiedet, und um ehrlich zu sein, gönnte ich es ihr, endlich einschlafen zu dürfen. Sie war natürlich meine Schwester, aber andererseits war sie auch nicht mehr derselbe Mensch.«
    Mariana Skoglund verstummte, trank ein paar Schlucke Wasser und suchte in den Gesichtern der Polizisten nach einer Bestätigung.
    Claesson hörte zu und begriff, dass sie wahrscheinlich noch nicht mit vielen Menschen darüber hatte sprechen können, wenn überhaupt. Sie hatte die einfachen Wörter noch nicht gefunden, die die Last oder die Trauer, wie man den grauschweren Zustand nannte, in dem sie sich jetzt befand, hinreichend beschrieben.
    Er meinte zu sehen, dass ihr Gesicht jetzt weniger angespannt wirkte, und das ließ ihn glauben, was sie sagte. Es war für die Schwester an der Zeit gewesen zu sterben, auch wenn das traurig war.
    »Kann ich mal auf die Toilette gehen?«, fragte sie, und Claesson nickte.

Kapitel 28
    Hilda, im Frühjahr 1993
    P apa! Was ist passiert?
    Darüber hatte sie nie wirklich Klarheit gewonnen. Samuel und sie glotzten irgendein dummes Fernsehprogramm, und Mama stand am Fenster. Hat sie da schon geweint?
    Die meisten Gedanken fanden da ein Ende, und die Bilder im Kopf wurden wegradiert. Es hatte keinen Sinn sich vorzustellen, wie die Scheibenwischer es nicht mehr schafften, das Wasser wegzuschieben, das wie die reinste Überschwemmung auf die Windschutzscheibe fiel. Außerdem war die Straße natürlich schmal und glitschig. Massenhaft heruntergefallene Blätter.
    Und dann der andere, der kam. Das glaubt man jedenfalls. Der Entgegenkommende. Dieses andere Auto hätten sie eigentlich finden müssen. Vielleicht tauchte es plötzlich auf und zwang Papa, das Steuer herumzureißen. Deshalb ist er von der Straße abgekommen, während das andere Auto weiterfuhr, als ob nichts geschehen wäre.
    Das waren alles so Dinge, die man nicht wusste.
    Sie sah ihr Auto vor sich. Es war weinrot, ein Volvo Kombi. Sie wartete immer darauf, dass der Volvo wieder auftauchen würde. Völlig sinnlos und unwirklich, aber es passierte, dass sie plötzlich wie in einem

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