Tod in der Walpurgisnacht
zu tun.
»Ich war bei Freunden in Kalmar, um die Walpurgisnacht zu feiern«, sagte Linda Forsell spontan als Antwort auf Claessons unausgesprochene Frage.
Nachdem es bisher noch keinen großen Ansturm auf Claesson oder Lundin oder die anderen Polizisten gegeben hatte, wussten sie allerdings auch nicht, wie viele verstörte Seelen auf der Suche nach Stütze und Trost hilflos durch die Gemeinde wankten; wahrscheinlich waren sie nicht allzu zahlreich.
Der Einzige, der sich von sich aus gemeldet hatte, war der Vater der armen Tina Rosenkvist, der ihn am Vormittag aufgesucht hatte. Das war im Grunde kein ungewöhnliches Zusammentreffen. Familie Rosenkvist besaß eine Hütte nicht weit von Hjortfors, und außerdem befanden sie sich jetzt gerade nicht allzu weit von Bråbygden entfernt, wo Tina gewohnt hatte und zuletzt gesehen worden war.
Er hatte Tinas Vater schon angerufen und ihn beruhigt. Es war eine Männerleiche, die im Feuer gelegen hatte. Die Tochter war immer noch spurlos verschwunden, aber die Hoffnung konnte sich trotz allem einen kleinen Raum bewahren. Jemand anders allerdings hatte lange nichts von sich hören lassen, nämlich Tinas Mann Pär Rosenkvist.
Claesson erinnerte sich, dass er Martin Lerde noch einmal bitten musste, sich des Falles anzunehmen und mit Pär Rosenkvist zu sprechen. Martin Lerde war forsch und durch die harte Schule gegangen. Deshalb konnte er in seiner Eckigkeit gerade ausreichend unangenehm werden, um einen Mann wie Pär Rosenkvist unter Druck zu setzen. Eigentlich müsste Rosenkvist das Engagement der Polizei als Beweis auffassen, dass das Interesse für seine verschwundene Ehefrau noch nicht völlig erloschen war. Eigentlich hätte Pär Rosenkvist ihnen mehr auf den Wecker gehen, sie nerven und fordern müssen, damit sie gründlicher suchten. Doch das hatte er nicht getan. Sprach das Schweigen hier eine deutliche Sprache?
»Es haben sich aber noch nicht so viele Leute von sich aus gemeldet«, sagte Claesson.
»Ah so«, erwiderte Linda völlig verständnislos.
»Nein, aber das liegt vielleicht am Wetter, es ist Feiertag, und man hat andere und nettere Sachen vor«, erklärte er.
»Wir werden sehen«, sagte sie.
Claesson ahnte, dass sie sich um die Frage herumdrückte, die ihr eigentlich auf der Zunge lag. Wer war auf dem Feuer verbrannt worden?
»Sie wissen sicher selbst am besten, wie Sie so etwas einrichten«, sagte er stattdessen ausweichend und erwähnte das mögliche Opfer nicht.
»Wissen Sie«, begann sie, befeuchtete die Lippen mit der Zungenspitze und nahm erneut Anlauf: »Wissen Sie sonst noch etwas, das ich auch wissen sollte?«
Sie zog fragend die hellen Augenbrauen hoch und ließ ein verschmitztes Lächeln um ihren Mund spielen. Ihre Augen waren vollkommen blau, stellte Claesson fest, himmelblau mit einem schmalen, helleren Ring um die Pupille. Ein müder Schatten lag unter den Augen, und die winzigen Fältchen an den Augenlidern zeigten, dass sie eine reife Frau war. Mindestens vierzig, dachte er und hatte dabei Veronika als Maßstab.
Die Spuren des Alters im Gesicht von Linda Forsell empfand er als sehr attraktiv. Sie hatte wahrscheinlich das ein oder andere vom Leben zu erzählen, und das wirkte erregend auf ihn. Inzwischen geschah es nur noch recht selten, dass er auf die banale, unschuldige und fast hingebungsvolle Weise auf einen Menschen neugierig wurde, wie es früher der Fall gewesen war.
Er konnte es nicht länger hinauszögern. »Wir glauben, dass es ein pensionierter Glasarbeiter ist. Wir werden Ihnen Bescheid geben, wenn wir den Namen sicher sagen können und die Angehörigen informiert haben, damit sie es nicht auf anderem Wege erfahren müssen«, sagte er.
»Ehrlich! Das heißt, die Angehörigen wissen noch nichts?«
»Nein.«
Das Handy klingelte, und Claesson ging ran.
»Gustavsson«, sagte jemand am anderen Ende, und in Claessons Kopf war vollkommene Leere. »Sie ist jetzt nach Hause gekommen«, fügte die Stimme hinzu.
»Ah so!«
Wer denn? Claesson überlegte fieberhaft, wobei ihn die Tatsache ablenkte, dass Linda und Lundin angefangen hatten, miteinander zu reden. Worüber sprachen sie? Sie standen beunruhigend nahe beieinander an einem der Fenster an der Längsseite des Raumes.
»Also unsere Nachbarin«, ergänzte die Stimme. »Mariana Skoglund ist jetzt zu Hause, das Auto steht vor dem Haus.«
Die Anruferin war also Jill Gustavsson, die Frau des Automechanikers aus dem Sodavägen.
»Vielen Dank! Gut, dass Sie anrufen«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher