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Tod in der Walpurgisnacht

Tod in der Walpurgisnacht

Titel: Tod in der Walpurgisnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Wahlberg
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nicht, was ihre Mutter antwortete.
    »Ich bin auf dem Sprung in die Stadt zum Großeinkauf und wollte fragen, ob du was brauchst«, sagte Skogis dann.
    Mama zögerte mit der Antwort. Hilda begriff, dass Mama wahrscheinlich seltsam aussah, schwach oder traurig oder so, denn Skogis senkte seine Stimme.
    »Du weißt doch, dass es das Beste für Samuel ist. Sie sollen Samuel nur für eine Weile aufnehmen, um es für dich etwas leichter zu machen. Du sollst dir in all der Trauer nicht auch noch Sorgen um ihn machen müssen.«
    Skogis Stimme wurde immer leiser. Hilda erstarrte. »Trauer«, dieses Wort verabscheute sie. Schwer war es, grau und unförmig. Sie hatte schon viel zu viel von der Trauer gehört, und doch wollte es kein Ende nehmen.
    Sie wollte Spaß haben, so wie Alice und ihre Mutter. Alice musste sich überhaupt keine Sorgen machen, die brauchte einfach nur zu leben, denn sie hatte so eine coole Mutter wie Sissela.
    Der Name Hilda war schon ganz nett, aber Sissela war viel leichter und hübscher. Und wenn sie doch nur ganze Tage an einem großen Arbeitstisch verbringen könnte, mit Farben und Zeichnungen und Probeformen, wie Alices Mama es tat!
    Mama saß an einem anderen, in ihrer Küche zu Hause, aber da passierte rein gar nichts. Der Tisch war abgedeckt, die Oberfläche sauber und abgewischt. Nicht einmal eine Kaffeetasse stand da noch. Trauriger ging es nicht.
    Leise schlich Hilda in den Flur in der ersten Etage und stellte sich ans Treppengeländer, um besser hören zu können. Die Treppenstufen lagen wie ein Abhang direkt vor ihr. Mamas Weinen stieg wie ein Winseln nach oben. Skogis sagte nichts, aber ganz sicher sah er Mama mit freundlichem Hundeblick an. Skogis meinte, dass der Hundeblick das Richtige sei gegen die wahnsinnige Trauer um Papa. Weil Papa so plötzlich gestorben war, und auf eine solche Weise.
    Vielleicht streichelte Skogis auch Mamas Schulter. Eigentlich waren Johannes und Mariana Skoglund beide sehr nett, das sagten alle. Sie hatten große Herzen.
    Doch Hilda hatte gemerkt, dass irgendwas mit Skogis komisch war. Es war einfach so, auch wenn sie überhaupt nicht herauskriegen wollte, was es war. Da war etwas, was sie nicht verstand.
    Hatte es was mit Papa zu tun? Sie schob es wie eine Schneewehe vor sich her, die immer weiter wuchs, wie wenn sie im Winter Mama half, die Einfahrt freizuschaufeln. Hatte es damit zu tun, dass Papa verunglückt war, ohne dass man genau wusste, wie das vor sich gegangen war?
    »Wir wissen, dass es schwer ist«, hörte sie schließlich Skogis zu Mama sagen. »Das alles ist eine große Tragödie, und du weißt, dass wir jeden Tag an dich und die Kinder denken, und das tut auch …«
    Die Stimme wurde von laufendem Wasser übertönt. Vielleicht hatte Mama einen trockenen Hals und musste was trinken.
    Das Geräusch verstummte abrupt.
    »Wir verstehen, dass du so um ihn trauerst, Clarissa. Ein junger und kräftiger Mann. Aber Gott wollte etwas anderes«, hörte sie die Stimme von Skogis. »Gott hatte andere Aufgaben für Sven.«
    Jetzt ließ Mama wieder das Wasser laufen, aber Hilda wusste trotzdem, was Skogis sagte. Vielleicht ließ Mama das Wasser so heftig laufen, weil sie die Worte wegspülen wollte. Vielleicht gefielen sie ihr auch nicht?
    Abgesehen von dem Wort »Trauer« mochte Hilda das Wort »Unglück« nicht, aber das war nicht so pechschwarz wie »Trauer«. »Verunglücken« hingegen war ein Wort, mit dem sie nicht so richtig was anzufangen wusste. Das war weder gut noch schlecht. Es war nichts. Vielleicht wurde es genau deshalb so oft benutzt.
    »Dein Papa ist verunglückt«, sagte man gern, wenn die Worte nur schwer über die Lippen wollten.
    Wenn man überhaupt etwas sagte. Auf jeden Fall sagte man nicht: »Dein Vater ist getötet worden«, denn davon wusste man nichts Genaues.
    In einem solchen Fall wäre die nächste Frage natürlich »von wem?« gewesen. Doch diese Frage wurde natürlich nicht gestellt.
    Vom Wind, sagte sie selbst meist. Mein Papa ist mit dem Wind verschwunden, an einem stürmischen Herbstabend, als die Blätter herumwirbelten.
    Aber sie wusste natürlich, dass das »Unglück« bedeutete, dass ein anderes Auto zu schnell gefahren war. Und das bei dem Wetter! Die Autos waren sich begegnet, und Papa war ausgewichen und in die Böschung gefahren.
    Aber vielleicht waren es nicht nur das Wetter und der zu schnell fahrende Unbekannte, was nicht stimmte. Man war nicht ganz sicher, was damit war, das hatte Hilda später begriffen. Die

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