Tod in der Walpurgisnacht
gewesen, in der die Frau allen Widrigkeiten zum Trotz zu ihrem Mann stand.«
»Heute hat man manchmal das Gefühl, als ob es gerade umgekehrt wäre«, seufzte Claesson mit einem Anflug von Bitterkeit in der Stimme.
Kaum hatte er das ausgesprochen, da merkte er selbst, wie dämlich das klang. Eigentlich war es gar nicht sein Stil, das weibliche Geschlecht auf diese elende Weise zu attackieren, aber zu spät.
»Ach, ehrlich?«, fragte Lundin und sah ihn genauso erstaunt an, wie er es verdient hatte. »Was ist denn mit dir los?«
Claesson wehrte ab.
»Vergiss es«, sagte er.
»Die Gemeindeschwester hatte das Gefühl, dass die Ehefrau sich im Hintergrund hielt, wenn sie zum Hausbesuch dort war«, redete Lundin weiter. »Wenn sie schon seit langem unterdrückt wurde, dann ist es vielleicht nur verständlich, dass sie keine Lust hatte, ihrem Mann jetzt beizustehen, wenn er schwächelte. Du hast sie doch kennengelernt, kann es sein, dass sie Gleiches mit Gleichem vergolten hat?«
Claesson nickte. Das würde zumindest erklären, warum die Frau nicht sofort in Tränen ausgebrochen war, als sie vom Tod ihres Mannes erfahren hatte.
»Hatte Johannes Skoglund die Gemeindeschwester selbst gebeten zu kommen, da seine Ehefrau verreist war?«, fragte er.
»Nein, das schien nicht der Fall zu sein. Außerdem hatte die Schwester über Walpurgis frei.«
»Aber am Tag zuvor, am Freitag«, beharrte Claesson. »Die Ehefrau fuhr erst am Nachmittag nach Växjö, das hat sie zumindest gesagt. Das müssen wir natürlich bei dem Personal in der Einrichtung, in der ihre Schwester lebte, verifizieren.«
»Die Schwester war am Dienstag bei Skoglunds gewesen.«
»Aha«, sagte Claesson.
»Wir sollten sie noch einmal befragen«, meinte Lundin. »Es wäre doch interessant herauszubekommen, wann Johannes Skoglund zuletzt gesehen worden ist. Ich habe mir notiert, dass wir die Aussage der Nachbarn, Skoglund sei am Freitagnachmittag im Supermarkt gewesen, kontrollieren müssen.«
Claesson wusch sich am Waschbecken das Gesicht, während nebenan ständig die Toilettenspülung rauschte. In dem halbblinden Spiegel sah er, dass die Ringe unter seinen Augen dunkler waren als sonst. Als er mit Linda Forsell gesprochen hatte, war das innere Bild, das er von sich gehabt hatte, frischer gewesen. Aber so schlimm sah er auch wieder nicht aus, stellte er fest und warf das Papierhandtuch, mit dem er sich abgetrocknet hatte, in den Korb.
»Mensch, man sieht ja echt fertig aus«, sagte er zu Lundin, als er wiederkam.
»Ein paar Nächte Schönheitsschlaf, und du erscheinst wieder in jugendlicher Frische«, zog Lundin ihn auf. »Wie lange sollen wir heute machen?«
Lundin sah Claesson wie ein müder Bluthund mit zerfurchtem Gesicht an.
»Den Sohn noch, dachte ich. Dann reicht’s.«
»Okay.«
»Wir sollten ein paar Kollegen zur Tochter nach Oskarshamn schicken. Morgen ist auch noch ein Tag. Peter Berg ist verfügbar, Mustafa Özen auch und wahrscheinlich auch Louise Jasinski und ein paar Polizisten in Uniform. Ich will mal sehen, wen ich zusammentrommeln kann. Wir fangen mit einer Morgenbesprechung in Oskarshamn an und fahren dann hierher nach Hjortfors. Wirst du hier übernachten?«
»Am liebsten ja«, sagte Lundin.
Claesson plante, mit einem der Streifenwagen zurückzufahren. Lundin sollte nicht vor dem nächsten Morgen nach Oskarshamn fahren müssen.
»Wir sollten morgen mal die Verbindungen von Skoglund zur Glashütte überprüfen.«
Lundin nickte. Plötzlich war es still im Raum. Claesson horchte. Tatsache, das Dröhnen aus der unteren Etage hatte aufgehört. Die Boxrunden waren beendet.
»Die haben gut eine Stunde trainiert«, sagte Lundin.
»Wenn es nicht schlimmer wird, können wir das aushalten.«
Lundin nickte, und sie erhoben sich.
»Vielleicht sollten wir die Pfarrerin noch über den Stand der Ermittlungen informieren, ehe wir fahren«, meinte Claesson.
Lundin sandte ihm einen langen Blick.
Kapitel 31
Hilda, im Frühjahr 1993
A lle trösten Mama.
Andauernd und ständig wird sie getröstet. Und Mama weint und hat Bauchschmerzen, und trotzdem kommen sie. Die Tröster. In langer Reihe, fast jeden einzelnen Tag seit dem Unglück, und Skoglund war es, der den Polizisten den Weg zu ihrem roten Haus gezeigt hat. Das neben dem grünen.
So haben alle immer den Weg zu ihrem Haus beschrieben: »Das neben dem grünen.« Ein grüneres Grün konnte man sich nicht vorstellen als das, womit Onkel Johannes sein Haus gestrichen hatte.
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