Tod in der Walpurgisnacht
reden, was sie auf dem Klo machen. Dann gibt es noch diffuse und allgemeine Symptome wie Appetitlosigkeit und Müdigkeit, die manchmal auf den Blutverlust zurückzuführen sind, Gewichtsverlust …«
Sie konnte ihrem Mann ansehen, dass er jetzt genug von üblen Symptomen gehört hatte. Außerdem fand er die Vorstellung, dass er Krebs bekommen könnte, dermaßen geschmacklos, dass er sie lieber verwarf. Claesson sah am Apfelbaum vorbei auf die Straße hinaus. Zum Glück war er noch nicht in dem kritischen Alter, dachte er. Bis er Krebs bekommen könnte, verging noch eine Ewigkeit.
»Natürlich können auch jüngere Menschen Darmkrebs bekommen«, ließ sie sich herzlos vernehmen, als ob sie seine Gedanken gelesen hätte. »Aber das ist nicht so oft der Fall.«
Am Gartentor fuhr Louise Jasinski in einem Streifenwagen vor. Er zog seine Jacke an.
»Warum willst du das alles wissen?«, fragte Veronika draußen im Flur.
»Der tote Mann im Maifeuer hatte Darmkrebs.«
Veronika zog die Augenbrauen hoch. Wahrscheinlich lag ihr die Frage auf der Zunge, wie er hieß, doch Claesson hatte schon die Hand auf der Türklinke.
»Pass auf dich auf«, sagte er und gab ihr aus schlechtem Gewissen einen flüchtigen Kuss auf die Wange.
Dann trat er ins Frühlingslicht hinaus.
Noch ein wunderbarer Tag, über den er nicht frei verfügen konnte, dachte er, während er den Gartenweg hinuntertrabte.
Aber es war nicht alles verloren. Die verträumten ländlichen Gebiete hatten auch ihre Verlockungen.
Kapitel 35
Hilda, Freitag, den 25. März 2011
D as Schloss von Kalmar stand von graugrünem Wasser umgeben mit Turm und Zinnen vor einem goldgrauen Himmel. Es wirkte phantastisch schön und gleichzeitig ein wenig hochnäsig, dachte Hilda, als sie aus dem Bus ausstieg. Anders als Oskarshamn, das lediglich knapp einhundertfünfzig Jahre alt war, war Kalmar eine Stadt mit einer mehrere Jahrhunderte umspannenden Geschichte.
Es war niemand an der Bushaltestelle, um sie abzuholen. Sie warf sich den Rucksack über die Schulter und ging auf das Bahnhofsgebäude zu. In Kalmar war sie schon oft gewesen, sie würde sich zurechtfinden. Die Stadt erstreckte sich an der Küste entlang über die Ebene, und auf der anderen Seite des Sunds lag Öland. Kalmar war eine hübsche und standesgemäße Stadt. In Oskarshamn dominierten der Hafen und die Industrie, die Bebauung wurde mehr von Ölraffinerien, Technik und Kernkraftwerken beherrscht als von historischen Gebäuden. Oskarshamn war eine maskuline Stadt.
Auch im Bahnhofsgebäude schien niemand sie zu erwarten. Es kamen noch mehr Busse an, aus Borgholm und aus Nybro, und auf einem Gleis wurde der Öresund-Express erwartet. Sie hielt nach Sam oder Lejla Ausschau, doch keiner von beiden war zu sehen. Lejla hatte ihr ja schon angekündigt, dass sie es vielleicht nicht schaffen würden, sie abzuholen, dass sie dann aber anrufen würde, sowie sie in der Redaktion fertig war. Sam würde mit dem Auto kommen, Hilda wusste nicht, aus welcher Richtung, und deshalb war es auch sinnlos, ihn anzurufen.
Sie würde sich also eine Weile allein beschäftigen müssen. Das war kein Problem, sie würde durch die Geschäfte auf Kvarnholmen bummeln. Also überquerte sie die Bahnhofsstraße, bog am großen Freimaurerhotel ab und begab sich zum Larmtorget. Dort gab es einen großen Brunnen, in dem derzeit allerdings kein Wasser plätscherte. Der Brunnen hatte irgendetwas mit Gustav Vasa und seiner Einnahme von Kalmar zu tun, daran erinnerte sie sich noch. Als Gustav Vasa auf der Flucht vor den Dänen gewesen war, war er irgendwo auf einer Halbinsel vor Kalmar an Land gegangen. Zum Gedenken daran lag an der Stelle jetzt ein großer Findling.
Auf dem Sockel des Brunnens saßen ein paar junge Männer. Die wussten wahrscheinlich nichts von Gustav Vasa, dachte sie, als sie vorbeiging. Sie ging die Storgatan hinunter und hatte plötzlich Lust auf einen Kaffee. Also bog sie in die Kaggengata ein, betrat Holmgrens Konditorei und bestellte Kaffee und eine Zuckerschnecke. Britta-Stina und Robert waren immer mit ihr hierhergegangen, wenn sie in Kalmar waren. Ein gutaussehender Mann ein paar Tische weiter starrte sie an. Der Vanilleklecks in der Mitte der Schnecke glänzte. Sie leckte sich die zuckrigen Finger und lächelte ihm zu. Seine Haare standen ab wie Ähren auf einem Roggenfeld. Vielleicht sah er ihr an, dass sie nicht aus der Stadt kam. Sie dachte darüber nach, ob sie seinen Blick noch ein wenig länger erwidern sollte, um
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