Tod in der Walpurgisnacht
ihre Kreditkarte hin und gab den Code ein. Lejla sagte, dass sie noch in der Redaktion sei und noch etwa eine Stunde brauchen würde und dass Sam verspätet und noch nicht im Anmarsch sei.
»Ist das in Ordnung?«, fragte Lejla.
»Ich mache so lange einen Spaziergang«, sagte Hilda, und sie legten auf.
Sam hatte sich verspätet. Wieso? Das hatte sie vergessen zu fragen, aber sie würde es schon erfahren.
Die Verkäuferin schlug den Stoff in Papier ein, legte die Garnrollen in eine kleinere Papiertüte und alles zusammen in eine Plastiktüte, die sie Hilda reichte.
»Viel Erfolg!«, sagte sie und lächelte.
»Danke«, sagte Hilda und ging hinaus.
Sie lächelte vor sich hin, als sie sich wieder der großen Domkirche näherte, überquerte den Stortorget mit seinem Kopfsteinpflaster und ging Richtung Hafen, weil sie wusste, dass es im Lagerhaus weitere Geschäfte gab. Sie ging schräg über den Lilla Torget, den schöne Häuser aus Stein säumten. Mitten auf dem Platz stand eine Skulptur in Form einer hübschen Meerjungfrau.
Im Hafen lagen eine alte Schute und ein Militärschiff vertäut, doch sonst drängten sich nicht viele Schiffe am Kai. Der Wind blies ihr ins Gesicht. Gleich gegenüber war als graugrüner Streifen Öland zu sehen. Die alten Speicher duckten sich nebeneinander. In einem gelb gestrichenen Haus lag ein Hafencafé, das nett aussah. Sie ging vorbei, schlenderte zum alten Lagerhaus, drehte eine Runde bei den Geschäften, hatte aber eigentlich keine Lust etwas einzukaufen. Auf dem Rückweg ging sie über den Parkplatz und denselben Weg wie vorhin, damit sie in der Nähe der Zeitungsredaktion wäre, für den Fall, dass Lejla anrief.
Und da sah sie ihn wieder, Pär Rosenkvist, der gerade dabei war, seine Tüten in den Kofferraum zu stellen. Sie blieb stehen und sah ihn in sein Auto steigen, einen weißen Peugeot, und verfolgte dann, wie er zurücksetzte und langsam vom Parkplatz fuhr. Ihr Gedächtnis war immer gut gewesen, und ohne dass sie wusste warum, hatte sie sich, ehe das Auto bei den Speicherhäusern verschwand, das Kennzeichen gemerkt. KNW 101. Da hatte sie auch schon das Handy genommen und ein Foto gemacht, doch das Bild brachte nicht viel, sondern zeigte hauptsächlich einen weißen Kofferraum.
Sie ließ den Blick über den Hafen schweifen. Was sollte sie jetzt tun?
Am Kai lag in einem alten, rotbraunen Speicher ein Hotel mit einem Holzsteg, der an der Rückseite entlangführte. Hilda betrat die Holzplanken. Auf einem Schild stand »Gästehafen«. Vereinzelte Segelboote wippten, und die Taue schabten an der Stegkante.
Hilda ging ein Stück und setzte sich auf eine Bank. Das Holz war kalt und feucht, das Wasser gluckerte unter ihr. Die Sonne war plötzlich wieder da und brachte sogleich eine angenehmere Temperatur mit sich. Hilda blieb eine Weile sitzen und ließ die Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht spielen. Sollte sie vielleicht der Polizei einen Hinweis geben, dass Pär Rosenkvist Frauenkleider eingekauft hatte? Wollte die Polizei so etwas nicht erfahren?
Sie zögerte. Sie saß immer noch mit geschlossenen Augen in der Sonne und merkte, wie neugierig und geschwätzig es eigentlich war, dort anzurufen. Bestimmt gab es irgendwelche Erklärungen dafür, dass er Frauenkleider einkaufte.
Dennoch blieb die Frage dieselbe: Warum kaufte er in Kalmar ein? Wollte er etwas verbergen? Sonst hätte er viel besser nach Oskarshamn fahren können, das war bedeutend näher.
Die Sonne verschwand hinter einer Wolke, und Hilda holte ihr Handy heraus. Dann wählte sie die Auskunft und bat, mit der Polizei verbunden zu werden. Sie landete bei einer zentralen Nummer für das ganze Land, eine Frauenstimme am anderen Ende fragte sie, womit sie behilflich sein könnte. Hilda sagte, sie wolle einen Hinweis für die Polizei in Oskarshamn hinterlassen. Nach einer Weile hatte sie eine weitere Frauenstimme am Ohr. Da hatte sie noch mal nachgedacht und sagte, sie wolle einen anonymen Hinweis hinterlassen. Sie war an eine Stelle geraten, die Kriminalermittlungsdienst oder so ähnlich hieß. Die Person am anderen Ende schrieb mit, während Hilda erzählte. Sie hörte die Tastatur klappern.
»Sie glauben also, dass er Pär Rosenkvist heißt?«, fragte die Stimme.
»Ja. Da bin ich ziemlich sicher.«
Es war ein weißer Peugeot, sagte sie und wiederholte das Kennzeichen.
»Und er hat also Frauenkleider eingekauft?«, fragte die Stimme.
»Ja«, erwiderte Hilda.
»Und Sie fanden das komisch.«
»Ja, weil seine Frau
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