Tod in der Walpurgisnacht
seine Ruhe haben will, bitte!
Heute war ein gewöhnlicher Montag, doch Veronika hatte frei.
Sie fing an, Windeln und Ersatzkleider für die Kinder einzupacken. Sie würde mit den Kindern nach Applekulla zu Else-Britt Ek fahren, ihrer besten Freundin, die mit Mann und zwei halbwüchsigen Jungen auf einem Bauernhof wohnte. Veronika hatte sich selbst eingeladen, und sie hatten zufällig gleichzeitig frei. Nun durften sie Pferde und Wiesen begrüßen.
»Aber du musst alles so hinnehmen, wie es hier ist«, hatte Else-Britt gewarnt.
»Kein Problem«, meinte Veronika, die geradezu Spezialistin darin war, alles so zu nehmen, wie es war.
Sie musste mal von zu Hause weg. Klara würde in Applekulla reiten dürfen oder zumindest auf einem Pferderücken herumgeführt werden, und schon das würde ein Erlebnis sein.
Klara saß im Wohnzimmer auf dem Fußboden, hörte Kinderlieder und blätterte in Büchern. Sie konnte sich eine Weile lang gut allein beschäftigen. Nora rutschte in der Küche herum und fing an, auf einer leeren Eisschachtel zu kauen, die auf dem Fußboden lag. Claes bemerkte die jüngste Tochter kaum. Sonst waren die Mädchen sein Augenstern, und es war selten, dass er nicht geduldig war oder keine Zeit für sie hatte.
Veronika konnte nicht umhin, sich über ihren Mann zu beugen, um zu sehen, was ihn so interessierte, dass er kaum anwesend war. »So gewinnen Sie den Krieg gegen die Ameisen«, lautete die Überschrift. »Der Einzug des Frühlings erfreut nicht nur uns frierende Menschen, die sich nach Sonne und Blumen sehnen. Auch die Ameisen wollen sich jetzt an den Süßigkeiten in unseren Häusern sattfressen – und sie kommen in wahren Heerscharen.«
»Ist das interessant?«, fragte sie und warf einen Blick auf das Farbfoto mit den krabbelnden Ameisen.
»Es ist sicher nicht schlecht, sich auf die große Ameiseninvasion vorzubereiten«, sagte er. »Die krabbeln auf der Jagd nach Nahrung überallhin, steht da, und Spülen oder Mülleimer sind für die wie ein gedeckter Tisch.«
»Aha«, erwiderte Veronika wenig belustigt. Sie hatte in ihrem Haus bisher noch keine einzige Ameise gesichtet und hatte auch nicht vor, sich da reinzusteigern. »Und was macht man dann?«
»Na ja«, meinte Claes, den Blick nach wie vor auf den Text geheftet. »Putzen, draußen Zuckerlösung aufstellen, damit sie nicht reinkommen müssen, und wenn man ganz verzweifelt ist, Gift. Und dann gibt es noch ein paar Großmuttertricks, wie Zimt, Pfeffer, Backpulver und Mandarinenschalen auszustreuen.«
Er lehnte sich zurück.
»Warum wohl ausgerechnet Mandarinenschalen und keine Apfelsinenschalen?«, fragte er und sah sie zum ersten Mal an diesem Morgen an.
»Das sind alles Fragen, die man definitiv einem wissenschaftlichen Ausschuss stellen sollte«, erwiderte sie und nahm die Babygläschen aus dem Schrank.
Claes wandte den Kopf zum Fenster und betrachtete den Apfelbaum, der direkt davorstand und den er mit großer Freude durch die Jahreszeiten begleitete. An den unteren Ästen hingen drei verschiedene Modelle von Vogelfutterspendern. Während des Winters achtete er sehr darauf, dass die Vögel etwas zu fressen bekamen, jetzt baumelten die Behälter leer am Ast.
Die Sonne schien. Louise Jasinski würde heute vorbeikommen und ihn abholen. Der Plan für den Tag war, dass Claesson in Oskarshamn ein paar Kollegen zu einem Team versammelte, während Lundin im Folkets Hus die Stellung hielt, jedoch nicht ohne zuvor bei Eberhard Lind, dem großen Maifeuerkonstrukteur von Hjortfors, vorbeizugehen.
Es war nicht optimal, dass Lundin mit Ebbe Lind redete, da die beiden einander ja kannten, aber anders ging es nicht. Claesson hatte schon gehört, dass die Abendgazetten wie die Raubvögel um Lind kreisten, es würde ihn nicht wundern, wenn mehr als ein Journalist bereits da gewesen war und den armen Mann ausgequetscht hatte wie eine Zitrone. Es gehörte verboten, dass die Ermittlungsarbeiten der Polizei in dieser Weise gestört wurden, aber in einem freien Land wie Schweden konnte man ein solches Verbot natürlich nicht aussprechen. Wer zuerst kommt, der mahlt zuerst, so einfach war das. Dass die Presse der Polizei oft die Arbeit schwer machte, gehörte zu den vielen Widrigkeiten, mit denen man ganz einfach zu leben hatte.
Seit er wach geworden war, hatte Claesson versucht, nicht an die verbrannte Leiche zu denken, und das hatte auch ganz ausgezeichnet funktioniert. Aber hier zu Hause konnte er nun eine Expertenmeinung einholen, denn
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