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Tod in Florenz

Tod in Florenz

Titel: Tod in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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sagte, Sie seien nicht da, hat sie gemeint, dann käme sie später noch mal. Bloß, die Sache ist die: Ich könnte schwören, sie kennt Sie gar nicht – sie ist Ausländerin. Und daß Sie nicht da waren, hat sie meiner Meinung nach nur als Entschuldigung genommen, sich die Sache anders zu überlegen, Sie wissen ja, wie manche Leute sind, wollen sich über irgendwas beschweren, und wenn sie dann hier hereinkommen …«
    »Ich weiß. Eine Ausländerin also? Woher?«
    »Schweizerin, sagt sie, aber offenbar hatte sie ihren Paß nicht mit, denn als ich danach fragte, wurde sie plötzlich nervös und ist gegangen. Also, wahrscheinlich ist es nichts weiter, nur hatte ich den Eindruck …«
    »Ja?«
    »Ich weiß nicht, sie schien ernsthaft besorgt über etwas, das hat sich mir irgendwie eingeprägt. Wenn was dran ist, kommt sie bestimmt wieder.«
    »Wahrscheinlich. Wie geht’s zu Hause?«
    »Danke, gut. Könnte gar nicht besser sein.«
    Seine Frau erwartete demnächst ihr erstes Baby, und man hätte meinen können, es sei das erste Kind, das überhaupt je zur Welt kommen sollte. Lorenzini, immer etwas vorschnell, hatte seinen kleinen Fiat schon dreimal überholen lassen, um für die Eilfahrt in die Klinik gerüstet zu sein, zum ersten Mal, als seine Frau im fünften Monat war.
    »Wenn Sie warten, bis die anderen vom Essen zurück sind, können Sie über Mittag nach Hause gehen, wenn Sie wollen.«
    »Danke, Maresciallo! Solange ihr immer übel war und sie die Kochdünste nicht ertragen konnte, wollte ich es nicht, aber das ist jetzt vorbei … und ich sehe ganz gern mal nach, schließlich – man kann nie wissen …« Er schaute seinen Vorgesetzten ernsthaft an, als habe er Angst ausgelacht zu werden, aber der Maresciallo schaute ebenso ernst zurück, die großen Augen ausdruckslos, und sagte: »Natürlich. Aber es ist bestimmt alles bestens, wie bei einer so prächtigen und gesunden jungen Frau nicht anders zu erwarten.«
    In Wirklichkeit beneidete er Lorenzini. Als seine eigenen beiden Söhne geboren wurden, war er hier in Florenz gewesen und seine Frau daheim in Syrakus, und er hatte sich mit einem Telefonat die Woche zufrieden geben müssen.
    Er seufzte, als die Tür sich hinter dem jungen Lorenzini schloß. Der Papierstapel lag noch immer auf seinem Schreibtisch, und er würde nicht von allein verschwinden.
    Die Mittagsglocken läuteten, und ein angenehmer Duft nach Fleisch und Soße drang aus dem Mannschaftsquartier herunter, als der Maresciallo endlich den letzten Bericht beiseite schob und dabei murmelte: »Kein vernünftiges Schloß an der Tür, im ganzen Haus Geld rumliegen lassen und dann kommen und mir etwas vorjammern, als sei alles meine Schuld …«
    Der Duft dieser Soße weckte schlagartig seinen Appetit. Hatte seine Frau heute morgen, als er ging, nicht Brotkrumen in der Pfanne geröstet? Also gab es zu Mittag sein Lieblingsessen, pasta alla mollica. Dieser Gedanke und der endlich erledigte Papierkram munterten ihn auf, auch wenn es noch anderthalb Stunden hin waren, ehe seine Jungen quer über die Piazza aus der Schule gestürmt kamen. Er stand auf und wollte eigentlich im Dienstzimmer bei dem jungen Carabiniere vorbeischauen, der allein war, solange sein Kollege oben kochte, da hörte er Stimmen vor der Tür, und als er sie aufmachte, stand Lorenzini davor und sah sich den Paß eines Mädchens an, das zusammenfuhr und ängstlich hochsah, als er heraustrat. Er streckte die Hand nach dem Paß aus und betrachtete das Mädchen dabei genau; ihre Gesichtszüge hinter der großen Brille wirkten leicht verschwommen. Sie mußte sehr kurzsichtig sein.
    »Sie waren heute vormittag schon einmal hier?« fragte er, während er den Paß durchblätterte.
    »Ja. Es ist wahrscheinlich nichts weiter, ich weiß nicht, ob ich Sie überhaupt belästigen sollte …«
    »Wann waren Sie denn hier?«
    »Um welche Zeit? Ich weiß nicht … ich glaube, es war gegen neun.«
    »Neun Uhr siebzehn, Maresciallo«, sagte Lorenzini, der nachgesehen hatte, »Kommen Sie bitte hier entlang, Signorina« – er warf einen Blick auf den Paß –, »Signorina Stauffer.« Der Maresciallo öffnete die Tür zu seinem Büro und trat zur Seite, um sie vorgehen zu lassen.
    »Also gut, wenn Sie meinen …«
    »Nehmen Sie Platz.« Der Maresciallo setzte sich hinter seinen Schreibtisch und musterte sie schweigend. Ihr hellbraunes Haar war kurzgeschnitten und glatt ins Gesicht gekämmt, so daß man durch die Brille, die ihre hellen Augen vergrößerte und

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