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Tod in Florenz

Tod in Florenz

Titel: Tod in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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daß sich jemand in einem Bett aufsetzte.
    »Haben Sie keine Angst, ich komme rein, um mit Ihnen zu reden.«
    Wie er erwartet hatte, war die Tür nicht abgeschlossen. Er öffnete sie.
    Es schien nur natürlich, daß hier die Küche war. Es mußte in diesem Teil des Gebäudes auch noch andere Räumlichkeiten geben, in denen die Familie früher gewohnt hatte, doch dies war der Raum, auf den Dr. Frasinellis Erzählung ihn vorbereitet hatte, und im großen und ganzen war er genau so, wie er ihn sich vorgestellt hatte. Ein rostiger schwarzer Herd stand an der Rückwand, daneben eine schwere alte, mit allerlei Krimskrams beladene Anrichte, und auf einem Holztisch in der Mitte stand eine Flasche Wein und daneben ein schmutziges Glas. Am anderen Ende lag ein großer Tonklumpen neben einem roh modellierten Kopf. Das Gesicht mit dem offenen Mund wirkte grotesk, wie bei den Formen, die er am ersten Tag auf dem Fensterbrett im Brennraum gesehen hatte. Rasch nahmen die großen Augen des Maresciallo all das auf. In seinem chaotischen Zustand sprach der Raum zu sehr von der Gewalt, die er gesehen hatte, von Maria, hingeworfen auf den besudelten Tisch … Es waren keine Blutspritzer an der Wand, nur gelbliche Stockflecken. In einer Ecke stand ein altes Eisenbett, auf dem, eingehüllt in eine fadenscheinige verwaschene Decke, eine massige Gestalt hockte.
    »Moretti …« murmelte der Maresciallo, als er in die kleinen, ängstlichen Augen in dem aufgedunsenen Gesicht blickte. Er hatte nicht gewußt, was für ein Gesicht er dem Namen zuordnen sollte, bis er es sah, aber jetzt erkannte er die Wollmütze auf dem Fußboden am Bett neben einem Paar tonbespritzter Stiefel, von denen einer keinen Schnürsenkel hatte. Der Kopf des Mannes war völlig kahl. Er war so frühzeitig gealtert wie seine Schwester.
    Die kleinen Augen beobachteten ihn aufmerksam wie die eines wilden Tieres, das noch nicht weiß, ob es fliehen oder angreifen soll.
    »Mein Bruder hat gesagt, Sie kommen mich nicht holen. Er hat gesagt, er verrät es nicht.«
    »Er hat es auch nicht verraten. Wohnen Sie hier, nicht bei Ihrem Bruder?«
    »Ich bin gern hier. Zu meinem Bruder gehe ich zum Essen und Fernsehen, aber hier gefällt es mir besser. Ich muß mich um die Fabrik kümmern.«
    Kein Wunder, daß Moretti es nicht für nötig hielt, abzuschließen, solange diese Kreatur hier Wache hielt. Der Mann schien in eine Art Apathie versunken, und der Eindringling schien ihn nicht zu stören. Trotzdem blieb der Maresciallo an der Tür stehen und wagte nicht, näher an das zerwühlte Bett heranzutreten.
    »Was werden Sie mit mir machen?«
    »Gar nichts. Niemand wird Ihnen etwas tun. Vielleicht sollten Sie sich anziehen.«
    Der massige Körper auf dem Bett bewegte sich langsam, und die Decke glitt zur Seite. Er trug lange wollene Unterwäsche, die grau war vor Alter und an Hals und Handgelenken verfärbt vom roten Ton. Er setzte sich auf die Kante des schmalen Bettes, das unter seinem Gewicht knarrte, und beugte sich vor, aber er griff nicht nach seinen Sachen, die an der Wand auf einem Haufen lagen, sondern fischte nur eine Packung Zigaretten und Streichhölzer darunter hervor. Der Maresciallo betrachtete ihn mit einiger Beklommenheit. Der Mann war gebaut wie ein Ochse, und es war klar, daß ein solches Muskelpaket keine Mühe hatte, die schweren Säcke nassen Tons zu heben, wie der Maresciallo es ihn hatte tun sehen, oder ein junges Mädchen zu erwürgen … In der Schule hatten sie ihn Beppone genannt … Beppone zündete sich eine Zigarette an. Seine Hände waren vollkommen ruhig, aber er blickte immer noch wie benommen um sich.
    »Sie ziehen sich besser an«, wiederholte der Maresciallo sanft.
    »Wozu? Sie haben gesagt, daß Sie mir nichts tun. Es war nicht meine Schuld. Fragen Sie meinen Bruder.«
    »Wir werden ihn fragen. Ich möchte gern, daß Sie jetzt mitkommen und mit ihm reden. Er braucht Ihre Hilfe.«
    Der andere stierte ihn nur dumpf und verständnislos an.
    »Sie haben ihm schon einmal geholfen, wissen Sie noch? Es ist lange her, als Sie beide noch in der Schule waren und die anderen ihn geärgert haben. Sie haben ihm geholfen, und jetzt müssen Sie ihm wieder helfen.«
    Vielleicht erinnerte er sich nicht an den Zwischenfall. Jedenfalls blieb er sitzen, rauchte und kratzte sich an seiner breiten Brust. Nach einer Weile wiederholte er mit störrischer Heftigkeit: »Es war nicht meine Schuld.«
    Der Maresciallo riskierte es, näher zu treten und legte eine Hand auf

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