Tod in Florenz
Gedanken in die Tat umsetzen konnte, fühlte er an der linken Schläfe einen heftigen Schlag, der ihn fast umwarf. Instinktiv hob er den Arm, um weitere Schläge abzufangen, was ihm einen Stoß in den Magen einbrachte, der ihn torkeln und würgend vornübersacken ließ. Er sah nur noch vibrierende Lichtkreise in einer ekelerregenden Finsternis, dennoch begann er in dieser gekrümmten Haltung zu laufen, eine Hand am Magen, die andere vorgestreckt, um Hindernissen auszuweichen. Hinter ihm dröhnten schwere Schritte, er merkte, daß er schneller war als sein Verfolger, und trotz seiner Benommenheit erinnerte er sich dankbar des schweren, ungeschnürten Stiefels, der ihm sehr wohl das Leben retten konnte. Dann krachte etwas Scharfes, Hartes gegen seine rechte Hüfte, und er mußte stehenbleiben und sich noch mehr zusammenkrümmen. Der Schmerz war so schneidend, daß er laut aufstöhnte, doch er beherrschte sich sofort, als er merkte, daß die Finsternis nicht länger auf die Erschütterung seines Hirns zurückzuführen, sondern wirkliche Dunkelheit war und daß er die schweren Schritte hinter sich nicht mehr hörte. Er hatte vor lauter Schmerz und Benommenheit den falschen Weg eingeschlagen, weg vom Licht und vom Ausgang, in die Finsternis eines Labyrinths, das er nicht einmal bei Tageslicht ausloten konnte. Er stand ganz still und versuchte, seinen keuchenden Atem unter Kontrolle zu bringen. Er sah nichts und hörte nichts. Vorsichtig streckte er die Hand aus. Sie berührte ein Stück Plastik, den schweren zylinderförmigen Apparat, den Küchentisch.
»Sie wollen mich in der Villa einsperren.« Die Stimme klang ruhig und nah. Der Maresciallo antwortete nicht. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn. Würde er Licht machen? Er lief jetzt herum, der offene Schuh schlurrte hinter dem anderen her. Wozu Licht machen, wenn er jede wache Minute in diesen Räumen verbrachte und wahrscheinlich oft genug im Dunkeln hier herumwanderte? Oder war es eine List? Er mußte wissen, daß der Maresciallo bewaffnet war. Und es gab tatsächlich keinen anderen Weg. Wenn es dunkel blieb, mußte er warten, bis er die Stimme wieder hörte, und dann auf ihn schießen. Ganz langsam ließ er die rechte Hand sinken, bis sie das Leder des Halfters berührte. Ohne das leiseste Geräusch holte er die Beretta heraus.
»Was machen Sie da?«
Der Maresciallo hob den Arm, lud durch und feuerte.
Ein wütender, schmerzerfüllter Aufschrei sagte ihm, daß sein Schuß zwar getroffen, aber nur verwundet hatte. Dann wurde er nach hinten gerissen, und riesige Hände legten sich um seinen Hals. Er versuchte unter Aufbietung seiner ganzen Kraft und seines ganzen Gewichts den Angreifer abzuschütteln, aber er war von Anfang an aus dem Gleichgewicht und wurde nach hinten gedrängt, bis seine Beine an etwas Festes stießen, wie er wußte eine der großen Wannen mit Ton. Er hielt immer noch die Beretta fest und schlug nun damit um sich, feuerte noch einmal und hörte das Geschoß von etwas Metallischem abprallen. Der Griff um seinen Hals wurde unerbittlich, und ihm war klar, daß er bald das Bewußtsein verlieren würde. Mit einer letzten verzweifelten Anstrengung gelang es ihm, ein Knie hochzuziehen und zuzustoßen. Mitten in der Bewegung wurde ihm bewußt, daß er damit einen Fehler begangen hatte, und wahrscheinlich seinen letzten, denn so geriet er nur noch mehr aus dem Gleichgewicht und fiel rückwärts in die Wanne, wo ihm das Wasser in die Ohren klatschte, daß sie sangen. Seine Augen waren noch offen, aber er verlor langsam den Sinn für die Realität und war nicht sicher, ob er die glitzernden Äuglein dicht an seinem Gesicht wirklich sah oder sie sich nur einbildete. Dann tauchte sein Kopf ganz nach hinten ins Wasser und in den schleimigen Ton darunter. Durch das Brausen und Blubbern drang ihm ein erstickter Schrei ans Ohr, und in seinem letzten bewußten Augenblick war er noch klar genug, um zu überlegen, ob es wohl sein eigener gewesen war.
10
»Schwachkopf!« röhrte Niccolini und hob die Faust.
»Schwachkopf! War es das, was Sie wollten? Hier enden? Sie müssen von allen guten Geistern verlassen gewesen sein – ich kann immer noch nicht glauben, daß Sie es getan haben! Man sollte Sie entmündigen oder einsperren, bei Gott, das sollte man – Hier ist ein bißchen Schokolade für Sie – ganz abgesehen von der Mühe, die es mich gekostet hat, den ganzen Weg hierherzufahren, nur um Ihnen zu sagen, was Sie für ein Esel sind!«
»Wie sind Sie
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