Tod in Garmisch
stellt komische Fragen.«
»Fragen?« Andi nestelte an seiner Krawatte.
Magdalena griff nach dem Knoten und richtete ihn. »Hab
ich dir mal von der alten Fehde zwischen den Meixners und den Schedlbauers
erzählt?«, fragte sie und ärgerte sich sofort, das Thema überhaupt angerissen
zu haben.
»Nein«, antwortete Andi. »Du nicht. Aber andere
haben.«
Sie runzelte die Stirn. Klar, wenn ein Auswärtiger
hier für eine Meixner arbeitete, bekam er viel zu hören. Und nicht besonders
viel Wahres. Den Angestellten der Schedlbauers dürfte es ähnlich gehen, nur
eben andersherum.
»Dieser Herr Kant weiß jedenfalls davon«, sagte sie.
»Ich meine, bis Düsseldorf sollte sich das doch eigentlich noch nicht rumgesprochen
haben.«
Andi stieß ein kleines Lachen aus. »Dahin nicht«,
sagte er. »Vielleicht kennt er wen hier.«
»Bestimmt sogar. Aber keinen Meixner. Er muss
irgendwas mit den Schedlbauers zu tun haben.«
»Ist doch alt, die Geschichte, oder?« Andi sah sie mit
seinen traurigen Augen an.
»Ja«, seufzte Magdalena. »Alt genug hoffentlich.«
»Und?«, fragte Andi.
»Was, und?«
»Ich meine: Er weiß davon, der Düsseldorfer. Und?«
»Ach so. Ja … Ich konnte ja schlecht an der Bar
darüber reden, ich weiß also nichts Genaues … Er wollte mich morgen Abend zum
Essen einladen. Ins St. Benoît.«
Andi senkte unstet den Blick.
»Aber morgen hab ich Spätschicht«, sagte sie.
»Die haben einen Stern«, sagte Andi, ohne sie
anzusehen.
»Ich weiß.«
»Und du bist doch neugierig …?«
»Aufs St. Benoît? Schon. Aber das rennt ja nicht weg.«
»Nein, auf ihn . Den Düsseldorfer.«
»Ich wüsst halt gern, wieso er nach der
Schedlbauer-Geschichte gefragt hat.«
»Dann geh doch«, sagte Andi, den Blick immer noch
gesenkt.
»Spät-schicht« ,
wiederholte sie singend.
»Kann ich doch«, sagte Andi.
»Klasse, und wer macht die Nacht?«
»Ich eben.«
»Andi, hör auf«, sagte sie ärgerlich. »Guck mal in den
Spiegel. Du kannst keine Doppelschicht fahren.«
»Doch«, sagte er. Trotzig hob er den Blick und sah sie
an. »Er hat nur für drei Tage reserviert. Dann ist er weg.« Er sah wieder zu
Boden und kaute auf der Unterlippe. »Chancen nutzen. Sagst du doch immer«,
sagte er leise.
Magdalena sah ihn irritiert an, aber Andi starrte
weiter auf seine Füße.
»Na schön«, sagte sie. »Wenn du unbedingt willst.«
Andi grinste schief, als wisse er selbst nicht, was
ihn zu diesem Angebot veranlasst hatte.
Magdalena lächelte, aber plötzlich riss es sie in die
Höhe.
»Aber ich hab nichts anzuziehen!«, sagte sie.
* * *
Ein halbes Dutzend Batteriescheinwerfer erhellte den
Grund der Klamm, als sich der Mann von der Bergwacht langsam hinabseilte.
Schwemmer wusste nicht, wohin mit seinen Händen. Er
hasste tatenloses Zusehen, aber es gab schlicht nichts, was er hätte tun
können. Neben ihm stand der Chef der Bergretter. Manchmal brüllte er Kommandos
in sein Walkie-Talkie.
Der Mann am Seil ließ sich bis zu den Hüften in die
eiskalte Partnach hinab und wurde sofort von der Strömung erfasst und ins
Schwingen gebracht. Er versuchte ein ums andere Mal, den treibenden Körper zu
greifen, aber immer wieder entglitt er ihm. Eine schier endlose Minute
versuchte er vergeblich, ihn zu packen, dann endlich, als die Leiche auf dem
Rücken schwimmend an ihm vorbeitrieb, erwischt er mit zwei Fingern den unteren
Rand eines Hosenbeins, aber es gelang ihm nicht, seinen Griff zu stabilisieren.
Der träge Körper zog den Mann am Seil in die Richtung, die der Strudel vorgab.
Er versuchte, das Bein auch mit der anderen Hand zu greifen, doch bevor er es
richtig zu fassen bekam, drehte sich der Körper auf den Bauch. Das schmale
Stück Stoff entwand sich seinem Griff.
Doch nun war die Route des Leichnams in dem Strudel
gestört, und am Ende der nächsten Runde schien der Körper sich nicht sicher,
welchen Weg er nehmen sollte. Und dann ergriff ihn das Wasser und zog ihn
einfach weg.
Der tote Körper trieb in weniger als zwei Metern
Entfernung an Schwemmer vorbei, und genau in diesem Moment drehte die Strömung
ihn auf den Rücken. Die Gliedmaßen standen in absurden Winkeln von ihm ab, und
als sein Gesicht in das Licht der Scheinwerfer geriet, sah Schwemmer, dass er
keines mehr hatte.
Der Chef der Bergretter sah Schwemmer an und zuckte
die Achseln.
* * *
Es überraschte Schwemmer immer wieder, dass seine Frau
menschenleere Räume dazu bringen konnte, schlechte Laune auszustrahlen.
So wie die Küche,
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