Tod in Garmisch
Schwemmer.
»Kohletabletten«, sagte Schafmann nur.
Der Abendhimmel war sternenübersät, und der Wind trug
den Duft des Frühlings von Süden heran.
Schwemmer zog die Gummistiefel an und streifte die
lange Öljacke über. Einen blöderen Fundort konnte er sich für diese Jahreszeit
kaum denken. Und eine blödere Uhrzeit.
»Warum können Leichen nicht mal tagsüber auftauchen?
Früher Nachmittag, das wär doch mal was«, maulte er. »Aber nein! Dunkel muss es
sein. Und irgendwas vor sollte man haben.«
»Zum Beispiel seinen Sohn von der Soloprobe abholen«,
sagte Schafmann. »Jetzt muss Bärbel das machen, und die Kleine muss im
Kindersitz schlafen.«
»Warum tut ihr euch das bloß an?«, fragte Schwemmer.
Schafmann brummte irgendwas, das sich wie »Auch mal
Opfer bringen« anhörte. Schwemmer fragte nicht nach.
»Wie weit müssen wir rein?«
»Bis in die Mitte.« Schafmann reichte ihm eine große
Stablampe. »Einer von der Gemeindeverwaltung hat ihn gefunden. Sie
kontrollieren kurz vor Sonnenuntergang noch mal die Stollen, da hat er ihn
entdeckt.«
Sie stapften auf den Eingang der Klamm zu. Die
Partnach tobte neben ihnen, das Ufer und der Pfad waren bis zur Pitznerhütte
hin überschwemmt. Ein Kollege wies ihnen den Weg über den Hang darüber.
»Die Gummistiefel sind nett gemeint«, sagte er, »aber
bis zu den Knien geht’s schon rein.«
»Na toll«, sagte Schafmann.
Sie erreichten den Stollen und schalteten die
Stablampen ein. Schafmann konnte aufrecht gehen, aber Schwemmer musste ständig
darauf achten, sich nicht den Kopf an dem rohen Fels aufzuschlagen. Das Wasser
stand knöchelhoch. Die Kälte drang durch das Gummi der Stiefel, aber Schwemmer
beschloss, sich nichts daraus zu machen.
Am Ende des ersten Stollens ließ er den Strahl seiner
Lampe über den tosenden Fluss und die Felswände gleiten. Überall tropfte und
strömte Wasser, Gischtvorhänge und fassdicke Wasserfälle stürzten frei von
oben, rauschten und rannen die Wände herab, quollen aus Felsspalten. Sie gingen
durch ständigen intensiven Nieselregen. Schwemmer verknotete die Bändel seiner
Kapuze, aber das feine Wasser drang in jede noch so winzige Spalte. Schon bald
begann der nächste Stollenabschnitt. Ihre Stiefel tauchten bis zur Wade ein.
Ein Lichtschein kam ihnen entgegen.
»’tschuldigung«, brüllte jemand gegen das Getöse des
Wassers an. Ein Uniformierter drängte sich an ihnen vorbei.
»Wie weit ist es noch?«, schrie Schwemmer.
»Schon noch ein Stück«, erhielt er zur Antwort.
»Danke«, brüllte Schwemmer ihm nach und ging weiter –
und lernte so, dass es ein Fehler war, hier einfach weiterzugehen, ohne vorher
nach oben zu gucken.
Schafmann hinter ihm verstand Wortfetzen wie »Zefix«,
»Glump varreckts« und »am Oasch«, bis Schwemmer mit den Worten »Kopf gestoßen« weiterging.
Der Weg ging ständig auf und ab, und entsprechend
stieg und fiel das Wasser darauf. An einigen Stellen war es trocken, an anderen
lief es ihnen, wie der Kollege am Eingang angekündigt hatte, in die
Gummistiefel.
»Na servus«, sagte Schafmann.
Sie kamen aus einem Stollen und fanden sich hinter
einem veritablen Wasserfall, dessen Gischt noch den letzten trockenen Faden
ihrer Kleidung fand und durchnässte.
Sie patschten weiter.
Endlich erreichten sie die Stelle. Auf dem schmalen
Weg drängte sich eine Menge Leute. Es war nicht auszumachen, wie viele es genau
waren, auf jeden Fall war der gesamte Dauerdienst da. Schwemmer entdeckte
Dräger vom Erkennungsdienst. Er presste gerade sein Funkgerät an ein Ohr und
einen Finger in den Gehörgang des anderen. Dann sagte er etwas hinein und
schaltete es mit resigniertem Kopfschütteln aus.
Schwemmer stieß ihn an, um auf sich aufmerksam zu
machen. Er hatte den Eindruck, der junge Kommissar fühlte sich von ihm
ernsthaft bei der Arbeit gestört.
»Und?«, schrie Schwemmer.
»Alles Scheiße!«, brüllte Dräger zurück. Er wies über
den Fluss, der an dieser Stelle etwa sieben Meter breit war. Etliche Stablampen
waren auf eine bestimmte Stelle gerichtet, auch Schwemmer leuchtete hin.
Die gegenüberliegende Wand war halbkreisförmig
eingebuchtet. Hier bildete die Strömung einen Strudel, und in diesem Strudel
trieb ein menschlicher Körper.
Er wurde hinuntergesogen und wieder ausgespien, ein
ums andere Mal, dabei vollführte er wilde Tanzbewegungen, immer wieder im
Kreis, in einer rasenden Geschwindigkeit.
Die vielen beweglichen Lichtstrahlen warfen unruhige
Schatten und machten es
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