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Tod in Innsbruck

Tod in Innsbruck

Titel: Tod in Innsbruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Avanzini
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sanft, sein Bart hat mich am Kinn gekitzelt. Plötzlich die Zunge. Wie eine schleimige Schnecke hat sie sich angefühlt. Die Schnecke hat meine Lippen geteilt, ist weitergekrochen, war überall, an meinem Gaumen, an meiner Zunge.
    Ich musste an Ruth denken, die immer so angibt mit ihrem Freund, weil er der beste Zungenküsser sein soll, den man sich vorstellen kann. Ich hätte nie gedacht, dass es so eklig ist. Sergejs Hand ist inzwischen unter mein T-Shirt gewandert und hat meine Brustwarze gestreichelt. Die wurde hart wie ein Kieselstein und hat begonnen zu pulsieren.
    Ich konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Saupeinlich.
    »Siehst du, Isotschka. So fühlt sich Leidenschaft an. Und so musst du den Chopin spielen. Nicht so langweilig, als wärst du eine zahnlose Greisin. Liebe und Schmerz sind nah beieinander. Das ist das Leben, und das muss in deine Interpretation einfließen, sonst schlafen deinen Zuhörern die Füße ein.«
    Er wollte, dass ich das Scherzo noch einmal spiele. Aber ich konnte nicht. Ich bin hinausgerannt, weg, nur weg.
    Im Heim habe ich mich so lange unter die Dusche gestellt, bis meine Haut gebrannt hat.
    Am Abend hat Sergej angerufen. Hat sich entschuldigt und gesagt, er wollte mir nicht zu nahe treten. Aber er sei nun mal überzeugt davon, dass echter Fortschritt nur mit unkonventionellen Unterrichtsmethoden zu erreichen sei.»
    Wer Chopin spielen will, muss den Begriff Leidenschaft verinnerlicht haben.« Dahin wolle er mich bringen. Und ich sei auf dem besten Weg. Ich habe ihm versprechen müssen, keinem Menschen von dem Kuss zu erzählen.
    »Solche Dinge werden von den Spießern da draußen gern missverstanden«, sagte er. »Und du willst ja eine große Pianistin werden, keine biedere Hausfrau, nicht wahr?«
    Natürlich will ich das. Natürlich werde ich es niemandem sagen.
    Ich schäme mich so. Und ich schäme mich, dass ich mich schäme. Ich darf nicht so verklemmt sein, schließlich ist es nur zu meinem Besten. Bestimmt bin ich die einzige Schülerin, die sich so anstellt.
    Früher hatte ich diese Probleme nicht. Früher, als ich vorne noch flach wie ein Brett war.
    Ich muss weiter abnehmen. So lange, bis die doofen Kamelhöcker verschwinden, die an allem schuld sind.
     
    Die Buchstaben verschwammen vor Veras Augen. Sofronsky. Sergej Sofronsky, du Schwein.
    Sie blinzelte die aufsteigenden Tränen weg und las weiter. Je mehr sie las, umso wütender wurde sie. Ehe sie das Tagebuch zuklappte, schwor sie sich, Sofronsky dranzukriegen. Er hatte Isa auf dem Gewissen. Dafür würde er bezahlen müssen.
    * * *
     
    Sein Kopf fühlte sich an, als steckte er in einem Schraubstock. Sofronsky durchwühlte den Apothekerschrank und fand nur noch eine angebrochene Packung Aspirin C, die schon abgelaufen war. Zum Ausgleich nahm er zwei Stück, ließ sie in ein Glas Wasser gleiten und sah den aufsteigenden Bläschen beim Zerplatzen zu.
    Er musste an Mette denken. Das Konzert war ein Riesenerfolg gewesen. Unglaublich, mit welcher spielerischen Leichtigkeit sie an die größten Kaliber der Klavierliteratur heranging. Und mit welcher musikalischen Reife.
    Außerdem war sie verdammt hübsch, wenn sie ihr Haar offen ließ und auf pastellfarbene Schleifen verzichtete. In den letzten Wochen war ihr Busen gewachsen. Die Vorstellung, ihre zarten Schwälbchen zu berühren, trieb ihm den Schweiß auf die Stirn.
    Auf einen Zug trank er das Wasser mit der aufgelösten Tablette aus und schüttelte sich.
    Nein. Mette war tabu. Sie war ein kostbares Juwel, das er nicht verderben durfte.
    Vielleicht sollte er sich endlich eine Geliebte suchen, die altersmäßig zu ihm passte. Eine erwachsene Frau, die ihm seine Teufel austrieb.
    Herrgott noch mal. Es muss doch auch erwachsene Frauen geben, die Spaß daran haben.
    Er nahm eine Packung Mozzarella aus dem Kühlschrank und presste sie gegen die Stirn. Die Kälte tat gut. Als der Druck in seinem Kopf endlich nachließ, öffnete er die Packung und aß den Mozzarella mit Salz und Olivenöl.
    Er fand Sonja im Wohnzimmer. Sie saß am Flügel, hatte eine Hand auf die Tasten gelegt. Als sie ihn bemerkte, gerann ihr Lächeln wie verdorbene Milch.
    »Wie schön, dich am Klavier sitzen zu sehen, Sonjetschka. Was hast du gespielt?«
    »Du weißt genau, dass ich nichts gespielt habe und auch nichts spielen werde. Dass ich hier sitze, hat gar nichts zu bedeuten.«
    Sofronsky trat an den Flügel heran und versuchte, seiner Frau in die Augen zu schauen. »Warum fängst du nicht

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