Tod in Innsbruck
erreichte.
* * *
Vera duckte sich hinter die Tonne mit Regenwasser. Eine Tür quietschte, dann hörte sie Schritte näher kommen. Sofronsky lief den Plattenweg entlang zum Gartentor. Obwohl das Nieseln in Starkregen übergegangen war, ging er weg, ohne Regenschutz, in einem kurzärmeligen Hemd.
Sie war ihm von der Musikakademie bis hierher gefolgt, hatte sich im Schutz der Bäume bis zur Hausmauer vorgearbeitet und die Regentonne als Deckung benutzt. Lange war gar nichts passiert, und sie wollte schon unverrichteter Dinge nach Hause gehen, als sie aufgeregte Stimmen hörte. Vor allem eine keifende Frauenstimme und ab und zu ein männliches Brummen dazwischen.
Ein Streit. Sofronsky und seine Frau lagen sich offensichtlich in den Haaren. Sosehr Vera die Ohren spitzte, sie verstand kein Wort. Sich noch näher an das Fenster heranzuschleichen war unmöglich, ohne entdeckt zu werden.
Sie konnte also leider nicht herausfinden, worum es in der Auseinandersetzung ging. Nur dass die Stimme von Sofronskys Frau hart und kalt klang und ihr Lachen hysterisch.
Sie hat die Hosen an. Und mit ihr ist nicht gut Kirschen essen.
Das Gartentor fiel hinter Sofronsky ins Schloss. Vera wartete noch eine Weile, ehe sie ihr Versteck verließ und sich an seine Fersen heftete.
Er ging nicht besonders schnell und zog beim Gehen das linke Bein ein wenig nach. Sie entschied, ihn zu überholen, den Block zu umrunden und ihm dann in genügendem Abstand zu folgen.
Der Regen rann in ihren Kragen, drang durch die Windjacke und tränkte ihre Joggingschuhe, aber das war es wert. Wenn sie etwas über Sofronsky in Erfahrung bringen konnte, etwas Handfestes, dann würde sie dafür ein bisschen Schnupfen in Kauf nehmen.
Bisher wusste sie so gut wie nichts. Sie brauchte Beweise. Das Tagebuch würde kein Gericht der Welt als Beweis ansehen. Sie musste andere Missbrauchsopfer ausfindig machen.
Als Vera sah, dass Sofronsky wieder die Musikakademie ansteuerte, war sie enttäuscht. Unterrichtete er etwa noch? Laut Online-Stundenplan hatte er am Freitagnachmittag frei.
Vera joggte weiter, lief um das Landestheater herum und näherte sich der Akademie von hinten. Ein Fenster im ersten Stock stand offen, sanfte Klavierklänge drangen an ihr Ohr. Dieses Stück kannte sie. Eine von Isas Lieblingskompositionen.
Die Goldberg-Variationen von Bach.
Vera lauschte, bis die Kälte ihre Zähne aufeinanderschlagen ließ.
Das ist also das Monster.
Es sieht aus wie ein geprügelter Hund.
Es irrt bei Regen durch die Straßen wie jemand, der auf der Flucht ist.
Und es spielt Bach wie ein alter Meister. Oder wie ein junger Gott.
ZWÖLF
Endlich ließ der Weinkrampf nach. Die Spritze schien zu wirken.
»Ist Ihnen etwas aufgefallen, Frau Bürük?«, fragte Heisenberg. Er versuchte, seine Stimme geduldig klingen zu lassen. Sanft. »Etwas, das anders ist als sonst?«
Sie starrte ihn an. »Blut«, stammelte sie. »So viel Blut.«
Dann legte sie den Kopf auf den Küchentisch und schlief einfach ein. Heisenberg unterdrückte einen Fluch. Er musste die Befragung auf morgen verschieben, wenn sie sich von dem schrecklichen Erlebnis erholt hatte. Wahrscheinlich kam ohnehin nichts dabei heraus.
»Wurz!«, bellte er. »Fahren S’ mir die Frau Bürük nach Hause.«
Wurz lugte zur Küchentür herein. Die Kamera baumelte um seinen Hals. »Die Putze? Kann das nicht jemand anders machen? Ich bin mit den Fotos noch nicht durch.«
»Sie ist Raumpflegerin«, zischte Heisenberg.
Der Arzt, den die uniformierten Kollegen geholt hatten, weil sie das Schluchzen von Yasemin Bürük nicht länger ertragen konnten, erhob sich. »Das übernehme ich. Ich bin ohnehin überflüssig, von Ihren Leuten wird ja niemand eine Beruhigungsspritze brauchen.«
Nein, höchstens einen Tritt in den Allerwertesten. »Danke, Herr Doktor. Wiedersehen.«
Heisenberg atmete tief durch. Jetzt musste er sich endlich den Toten anschauen. Es gab nichts mehr, was er vorschieben konnte. Mit hängenden Schultern verließ er die Küche, die so erstaunlich aufgeräumt wirkte, und begab sich ins Schlafzimmer. Diesmal hatte er vorgesorgt, hatte etwas Menthol auf sein Stofftaschentuch geträufelt, das er sich fest auf die Nase presste.
»Schöne Sauerei, was?«, sagte Wurz. »Kann ich mal das Fenster aufmachen?«
»Halt!«, schrie Bartsch. »Auf keinen Fall. Hier wird nichts angerührt, bis wir fertig sind. Sonst heißt es wieder, die Spusi ist schuld, wenn wir nichts finden. Dabei trampelt ihr uns immer
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