Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
Vom Netzwerk:
Speisekarten. Sie bestellten unverzüglich.
    »Du hast deinen brasilianischen Akzent verloren«, sagte Susana.
    »Ich war in Afrika.«
    »Was hast du denn da gemacht?«
    »Gearbeitet. Für die Bank. Mineralien. Holzhandel.«
    »Du solltest nach Brasilien kommen. Ihr habt doch noch keine Niederlassung in Brasilien, oder?«
    »Wir denken darüber nach.«
    »Also, ich bin für dich da … wenn ihr Hilfe braucht.«
    »Du und deine Freunde«, sagte er, und sie lächelte, ohne ihm zu verraten, was er wissen wollte.
    Ihre Krabbencremesuppe kam, und sie aßen schweigend. Die Fensterscheiben bebten in einer Böe, Regen peitschte die Rosenblüten im Park.
    »Ich wollte dich fragen, ob du in Berlin je einem gewissen Lehrer begegnet bist«, sagte er. »Oswald Lehrer.«
    Sie nahm ihr Glas. Der Kellner räumte die Teller ab.
    »Ich mochte ihn nicht«, sagte sie und blickte auf einen Punkt über Felsens Kopf. »Er hatte sehr unangenehme Vorlieben.«
    »Er hat mich während des Krieges mit einem Auftrag hier runtergeschickt. Er wusste, dass ich Portugiesisch spreche.«
    »Das ist typisch Lehrer«, sagte sie. »Er wollte immer alles wissen.«
    Sie bekam ihren Steinbutt in weißer Sauce, Felsen sein Schwertfisch-Steak. Er hätte am liebsten geraucht, getrunken, gegessen und alles Menschenmögliche gleichzeitig getan. Susana zerlegte ihren Fisch, Felsen riss ein Brötchen in zwei Teile. Sie hatten ihre gemeinsame Geschichte berührt. Jede Erinnerung hatte ihre Schmerzen und Freuden. Und er fühlte sich ihr verbunden.
    »Du siehst gut aus, Susana«, sagte er.
    »Selbst nach zwei Kindern noch«, sagte sie, um zu sehen, wie er darauf reagieren würde.
    »Du, eine Mutter?«, sagte er.
    »Aber keine Ehefrau«, fügte sie hinzu. »Und du?«
    Er legte sein Besteck ab und spreizte die Hände.
    »Das habe ich mir fast gedacht«, meinte sie.
    »Und warum?«
    »Ein hellblauer Anzug und eine gelbe Krawatte sehen für mich nicht direkt nach ›Daddy‹ aus.«
    Er lächelte, sie lachte. Sonnenlicht fiel in den Saal wie von aufgeblendeten Bühnenscheinwerfern. Sie bestellten noch eine Flasche Wein und sprachen über die beiden Kinder, die bei Susanas Mutter in São Paulo waren. Den abwesenden Vater erwähnte sie nicht weiter.
    Den Kaffee nahmen sie in einem anderen Teil des Hotels, Felsen rauchte einen der schlanken braunen Glimmstängel, die Susana bevorzugte. Danach gingen sie wortlos hoch auf ihr Zimmer. Sie öffnete die Tür, und sie küssten sich. Mit fester, geübter Hand griff sie in seinen Schritt. Felsen zog sich aus und war nackt, noch bevor sie ihre Unterwäsche abgelegt hatte. Er stürzte sich auf sie. Ihre Strümpfe rieben an seinen Schenkeln. Sie liebten sich kaum weniger drängend als vor sechzehn Jahren, nur dass sie, nachdem er bebend gekommen war, seinen Kopf in ihren Schoß zog. Er war unsicher, weil er das noch nie getan hatte, und er mochte es nicht. Doch sie hielt ihn dort, bis er spürte, dass sie unter seinen Händen zitterte.
    Bis zu ihrer Heimreise blieb Susana noch eine Woche. Ursprünglich hatte sie nach Berlin fliegen wollen, konnte jedoch kein Visum bekommen, sodass ihr freie Zeit in Lissabon blieb. Sie verbrachten fast die gesamte Woche zusammen. Felsen zog in ihr Hotelzimmer im Hotel Palácio, und sie fuhren zu seinem Haus, dem westlichsten Haus auf dem europäischen Festland – dahinter lagen nur Heidekraut, Stechginster, der Leuchtturm, die Klippen am Cabo da Roca, und dann kam der Ozean. Sie gingen durch die leeren Räume, die noch nach Farbe und trocknendem Putz rochen. Sie kauften zwei Stühle, setzten sich auf die geschützte Dachterrasse, tranken Cognac und betrachteten die Stürme auf dem Meer, die bizarren Wolkenformationen und blutroten Sonnenuntergänge. Sie gaben dem Haus einen neuen Namen: Casa ao Vim do Mundo – das Haus am Ende der Welt. Bei der Versteigerung der Inneneinrichtung eines alten palácio in der Serra da Sintra erstanden sie weitere Möbel. Susana ersteigerte zwei rosenfarbene Diwane zu einem sündhaft teuren Preis, die sie am nächsten Tag einweihten, bevor sie sich nackt unter der Decke liegend ihre Pläne erzählten und schließlich einen gemeinsamen Plan schmiedeten.
    Felsen buchte einen Platz in ihrem Flugzeug nach São Paulo. Einen Nachmittag lang besprach er mit Abrantes die Eröffnung einer Zweigstelle in São Paulo, wobei Susana ihm ihre Freunde vorstellen und ihnen beim Start behilflich sein wollte. Am nächsten Tag aßen sie zu dritt zu Mittag. Susana machte offenbar großen

Weitere Kostenlose Bücher