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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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wieder zurück.
    Traurigkeit flatterte in seiner Brust wie eine Fahne auf Halbmast.
    Er schaltete hoch, und seine Fingerknöchel berührten ihren braunen Schenkel. Sie zog ihn nicht weg. Er ließ seine Hand auf dem Schaltknüppel liegen.
    »Wie heißen Sie?«, fragte er.
    »Catarina«, sagte sie.
    Er lächelte hinter seinem Schnauzer. Sie hatte ihn nicht nach seinem Namen gefragt. Das taten Jugendliche nie.
    Er sprach über seine Tochter, Sofia. Die Tochter seines Bruders, aber das sagte er nicht. Er versuchte die zweite Stimme in seinem Kopf zum Schweigen zu bringen, die ihm sagte, dass sie genau wusste, was er tat. Er war nett, darin war er gut, und es funktionierte auch schon. Sie streifte einen ihrer klobigen Schuhe ab und stellte die Ferse auf die Sitzkante.
    »Hier rechts und die Nächste gleich wieder links«, sagte sie.
    »Mögen Sie Musik?«, wollte er wissen und fragte sich sofort, ob sich das dumm anhörte.
    »Klar«, sagte sie und zuckte mit ihren schmalen Schultern.
    »Was für Musik?«
    »Vielleicht nicht ganz Ihre Art Musik.«
    »Wer weiß. Ich kenne sie alle. Meine Tochter spielt sie mir dauernd vor.«
    »Die Smashing Pumpkins.«
    Er nickte und verwickelte sie in ein Spiel, den Namen der Band ins Portugiesische zu übersetzen, doch es gab zu viele Wörter für zu viele verschiedene Kürbissorten, sodass sie sich nicht für eine entscheiden konnten. Sie erzählte ihm, dass sie Sängerin einer Band sei, und sie verpassten die Abzweigung zum Monsanto-Park. Sie fuhren weiter nach Norden, kurvten durch Sete Rios in der Nähe des Zoos und dann zurück auf das riesige Aguas-Livres-Aquädukt zu, bis sie schließlich auf der richtigen Straße landeten, die die Eisenbahn unterquerte und weiter in den Park führte.
    Während sie redeten, während sie seine Fragen parierte, ihr blondes Haar in einer Faust bündelte, auf ihrem längst abgekauten Daumennagel kaute, die Windschutzscheibe betrachtete und ihre Antworten überlegte, fühlte er sich so jung, wie sie gerade war. Das konnte manchmal fünfzehn und manchmal fünfundzwanzig sein. Eben noch war sie ein Schulmädchen, dann wieder trieb sie es in einer pensão … nein, das gehörte nicht hierher, das musste er vergessen.
    Sie fuhren durch den von leeren Teerpisten durchzogenen Kiefernwald hügelaufwärts. Einige der Straßen führten zu den Militäranlagen und dem Forte de Monsanto, andere direkt zur Autobahn und wieder andere noch tiefer in den Wald.
    »Wie spät ist es?«, fragte sie und beugte sich vor, um auf das Armaturenbrett zu sehen.
    Er roch ihr Haar.
    »Kurz nach fünf.«
    Sie richtete sich auf, streifte ihren Schuh wieder über und streckte die Beine aus.
    »Es gibt hier oben eine Stelle, wo man einen fantastischen Blick auf Lissabon hat, sollen wir kurz vorbeifahren?«, fragte er und wollte, dass es bloß ein Ausflug war.
    »Okay«, meinte sie achselzuckend.
    Er fuhr auf den leeren Parkplatz des Restaurants am Alto da Serafina. Sie stiegen aus und kletterten auf eine flache Mauer. Vor ihnen erstreckte sich die Stadt. Die gedrungenen dunklen Glastürme von Amoreiras beherrschten die Skyline.
    »Diese Türme …«, sagte sie.
    »Dort wuchsen früher überall Maulbeerbäume für die Lissabonner Seidenindustrie«, sagte er und redete mit ihr wie mit seiner eigenen Tochter, der Tochter seines Bruders.
    »Diese Türme sind irgendwie fremd … sie sehen aus, als wollten sie die Stadt töten, ihre ganze Kraft aussaugen.«
    Er war überrascht und sagte nichts.
    »Kenne ich Sie?«, fragte sie auf dem Laufsteg der flachen Mauer von ihm wegtrippelnd.
    Er erstarrte und blickte auf ihre Beine.
    »Ich glaube nicht.«
    »Ich denke die ganze Zeit, dass ich Sie schon mal irgendwo gesehen habe.«
    »Lass uns zum Auto zurückgehen«, sagte er. »Ich will nicht zu spät kommen.«
    Beim Sprung von der Mauer war der Zwickel ihres Slips zu sehen.
    Er fuhr von dem Parkplatz zurück in den Kiefernwald, unter ihre endlosen regenschirmartigen Kronen, und nahm eine falsche Abzweigung. Weg aus der Sonne. Sie bemerkte es nicht. Er hielt an.
    »Das ist falsch«, sagte er, und sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Er setzte rückwärts in die Bäume.
    »Was machen Sie?«, fragte sie.
    »Ich wende bloß.«
    Er fuhr weiter in den Wald hinein bis zu einer Lichtung außer Sichtweite der Straße. Er würgte den Motor ab. Die Sonne schien in den Wagen, die getönten Scheiben verdunkelten sich. Sie blickte auf seine Hand auf dem Schaltknüppel.
    »Was ist los?«, fragte sie.
    »Ich weiß

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