Tod in Lissabon
zurück.
Felsen entschuldigte sich und machte ihr seine Aufwartung. Die Blicke ihrer beiden Begleiter durchbohrten ihn. In perfektem Englisch fragte er sie, ob sie tanzen wolle. Sie musterte sein Gesicht und überlegte, ob sie ihn von irgendwoher kannte, bevor sie seinen Anzug und sein Schuhwerk auf ihre Qualität hin überprüfte.
»Sie sind kein Engländer, oder?«, fragte sie, als sie unter den neugierigen Blicken der anderen Gäste zur Tanzfläche gingen. »Außerdem hinken Sie.«
»Sie werden nicht enttäuscht sein.«
»Sind Sie Schweizer oder vielleicht Amerikaner? Ich höre da etwas in Ihrem Akzent.«
»Ich bin Deutscher.«
»Ich mag die Deutschen nicht«, sagte sie, in seine Muttersprache wechselnd.
»Wir sind doch noch gar nicht in Budapest angekommen.«
»Wenn es das ist, was die Deutschen mit Ländern machen, dort ›ankommen‹, dann müssen Sie die arrivistes des Jahrhunderts sein.«
»Vielleicht sind Sie deswegen hier?«
»Ich bin hier, weil die Deutschen, die keine Mörder sind, brutale Rüpel sind.«
»Ich weiß ja nicht, welche Art Deutsche Sie getroffen haben.«
»Deutsch-Österreicher. Ich habe in Wien gelebt.«
»Aber Sie sind Rumänin, nicht wahr?«, fragte Felsen.
»Das ist richtig.«
»Erlauben Sie mir, Ihnen unsere weniger brutale Seite zu zeigen.«
Sie betrachtete den schwäbischen Bauern reichlich skeptisch, doch er wirbelte sie zu einer Swing-Nummer über das Parkett, dass sie nur verblüfft und atemlos staunen konnte. Als Felsen den Swing gehört hatte, hatte er sich Sorgen gemacht, ob Madame Branescus Hüften dem gewachsen waren, doch die Dame wusste ihren Speck zu bewegen. Sie tanzten noch zu zwei weiteren Nummern, bevor sie die Tanzfläche unter leisem Applaus verließen.
»Ich dachte, Hitler hätte etwas gegen Swing.«
»Er hat Angst, es könnte unseren Stechschritt aus dem Tritt bringen.«
»Mit derlei Bemerkungen sollten Sie vorsichtig sein«, sagte sie. »Sie wären nicht der erste Deutsche, der hier aus dem Verkehr gezogen wird. Wussten Sie, dass die PVDE von der Gestapo ausgebildet ist?«
»Die PVDE?«
»Die Polícia de Vigilância e de Defesa do Estado – Salazars Sicherheitspolizei«, sagte sie. »Und ihre Gefängnisse sind nicht besonders nett, es sei denn, man kann sich die Luxusvariante leisten.«
»Ich glaube nicht, dass irgendwer den Deutschen in puncto Gefängnis irgendetwas vormachen kann.«
Sie entschuldigte sich, um sich die Nase zu pudern. Felsen sah ihr nach und schätzte, dass ihr Hüftschwung gut zwei Zentimeter ausladender geworden war. Poser tauchte neben ihm auf.
»Sehr überraschend, Felsen«, raunte er ihm ins Ohr.
»Das habe ich vor dem Krieg von einer Amerikanerin gelernt.«
»Ich meinte, Ihren Geschmack … die Wahl Ihrer Partnerin.«
»Das ist meine bäuerliche Herkunft, Poser«, sagte Felsen. »Das kommt vom Ferkel-über-den-Hof-Jagen.«
Poser lächelte und verzog sich wieder. Madame Branescu kam zurück, die geröteten Wangen abgepudert, und Felsen trat erneut an ihren Tisch. Ihre Begleiter sprangen auf, doch sie scheuchte sie mit einem Wink wieder auf ihre Plätze.
»Sie sind neu in Lissabon, nicht wahr, Herr …?«
»Felsen. Klaus Felsen. Und ja, ich bin heute frisch eingetroffen.«
»Sie reden nicht wie jemand, der nach Amerika muss.«
»Das muss ich auch nicht.«
Sie kniff die Augen zusammen. »Dann sind Sie vielleicht beruflich hier?«
»Im Gegenteil. Ich bin zum Tanzen hier, und ich hoffe, dass wir noch einmal die Gelegenheit finden.«
Er verbeugte sich, und sie hielt ihm die Hand zum Kuss hin, bevor sie sich wieder setzte.
Felsen fand Poser mit der Nase tief in einem Cognacglas.
»Sie scheinen sich recht schnell zurechtzufinden«, sagte er, aus den Dämpfen auftauchend.
»Das glaube ich nicht, Poser. Wir beide betrachten die Dinge nur unterschiedlich. Sie sind ein Diplomat, der wissen will, was alle denken. Ich bin ein Opportunist, der wissen will, was alle tun. Madame Branescu ist genauso. Wir haben uns lediglich gegenseitig erkannt.«
»Aber was könnten Sie beide denn füreinander tun?«
»Sie werden schon sehen«, sagte Felsen und schlenderte davon.
Mehr und mehr Menschen strömten in das Kasino – eine bunte Mischung, manche glücklich lächelnd in spektakulären Abendkleidern, andere gebeugt und verstohlen in geliehener Kleidung. Felsen kaufte sich an der Kasse Jetons und ging direkt zum Roulette-Tisch. Nur Narren spielten Roulette.
Die Eindrücke und Gerüche des Kasinos waren wie überall, doch
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