Tod in Lissabon
Lumpen zitterte etwas kleines Lebendiges.
Einer von Abrantes’ Pächtern aus Amêndoa kam um das Haus und blieb überrascht stehen, als er Felsen sah. Er zog seinen Hut, trat vor und verbeugte sich. Felsen fragte nach Abrantes.
»Er ist nicht hier«, sagte der Bauer und blickte zu Boden.
»Und die anderen? Wo sind sie? Warum sind sie nicht hier?«
Keine Antwort.
»Und wer sind diese Menschen, die hier auf Senhor Abrantes’ Land leben?«
Die Frau verließ ihren Topf, redete in ihrem zahnlosen Portugiesisch lange auf den Bauern ein und unterstrich das Gesagte mit ihrem Holzlöffel.
»Was sagt sie?«
»Es ist nichts.«
Die Frau zeterte erneut auf ihn ein. Der Bauer wandte den Blick ab. Felsen richtete seine Frage an die Frau. Sie gab ihm eine lange Antwort, die der Bauer in kurzen Einschüben übersetzte:
»Sie ist die Frau von Senhor Abrantes.«
»Und das Kind da drinnen?«
Der Bauer winkte Felsen hinter das Haus, fort von der Alten. Im Hof erhoben sich drei unmarkierte Grashügel.
»Die Kinder von Senhor Abrantes«, sagte der Bauer. »Eine Lungenkrankheit.«
»Und das Kleine drinnen?«
Der Bauer nickte.
»Alles Mädchen?«
Er nickte erneut.
»Und wo ist Senhor Abrantes?«
»In Spanien«, sagte der Bauer, ohne den Blick von den Hügeln zu wenden.
Der Name des Bauern war Alvaro Fortes. Felsen ließ ihn vorne neben dem Fahrer Platz nehmen, und sie fuhren gemeinsam zur Grenze in Vilar Formoso. Felsen trank aguardente und ging noch einmal seine Berechnungen durch – achtundzwanzig Tonnen aus Penamacor, dreißig Tonnen aus Casteleiro, siebzehn Tonnen, die aus Barco hergeschafft worden waren, sowie vierunddreißig Tonnen aus Idanha-a-Nova. Und alle fehlten sie – weshalb die Lagerbestände in Portugal um hundertneun Tonnen niedriger waren, als sie sein sollten.
An der Grenze trank er mit dem chefe der alfándega , der ihm bereitwillig berichtete, die Briten hätten im vergangenen Monat sämtliche deutschen Lieferungen über die Grenze registriert und es gäbe Gerüchte, dass Lissabon anordnen wollte, die Wolfram-Lieferungen zurückzuhalten. Felsen schenkte dem Mann eine Flasche Cognac und fragte nach Abrantes. Der chefe hatte ihn seit einer Woche nicht mehr gesehen.
Es fing an zu regnen, als sie an der Grenze entlang nach Aldeia da Ponte und weiter nach Aldeia do Bispo und Foios am Fuße der Serra da Malcata fuhren, deren flache, von Luchsen bewachte Hügel sich bis über die Grenze erstreckten. Dort gab es einen contrabandista , einen Schmuggler, der für ihn den Transport per Maulesel-Karawane über die serra organisieren wollte, falls Dr. Salazar sich entscheiden sollte, Felsen das Leben schwer zu machen.
»Bist du je über die Grenze nach Spanien gefahren?«, fragte er Alvaro Fortes’ Hinterkopf. Keine Antwort.
»Hast du mich gehört?«
»Ja, Senhor Felsen.«
»Bist du schon einmal über die Grenze gefahren?«
Wieder bekam er keine Antwort.
»Wann war das erste Mal?«
Alvaro Fortes antwortete, indem er nichts sagte. Sie fuhren durch das Dorf zu dem Haus und den Ställen des Mannes mit den Maultieren. Die serra war hinter einer tief hängenden Wolke verschwunden.
Sie hielten vor dem Haus des Eselbesitzers, und Felsen ging zum Kofferraum und nahm die Walther P48 aus einem kleinen abschließbaren Metallkasten. Er befahl Alvaro Fortes auszusteigen, und sie gingen um das Granithaus auf den Hof mit den Ställen, an dessen einem Ende ein mit Kette und Schloss verriegeltes Lagerhaus stand. Maultiere waren nicht zu sehen. Alvaro Fortes zappelte herum wie ein Mann mit einer vollen Blase.
Felsen hämmerte an die Hintertür des Hauses. Keine Antwort. Er ließ Alvaro Fortes ununterbrochen weiterhämmern, bis sie von drinnen die Stimme eines alten Mannes hörten.
»Calma, calma, já vou« , sagte er – ich komme ja schon.
Der Regen fiel schräg in den Hof, als er die Tür öffnete und den Deutschen in seinem schweren Ledermantel und mit hinter dem Rücken verschränkten Händen sah. Er wusste, dass Ärger drohte, schon bevor ihm der Mann seine Waffe ins Gesicht hielt.
»Keine Maultiere«, sagte Felsen.
»Sie sind unterwegs.«
»Wer begleitet sie?«
»Mein Sohn.«
»Sonst noch jemand?«
Der Blick des alten Mannes zuckte zu Alvaro Fortes, der ihm auch nicht weiterhelfen konnte.
»Hast du den Schlüssel zu diesem Lagerschuppen?«
»Er ist leer.«
Felsen hielt dem Alten die Waffe direkt unter die Augen, sodass er das Öl riechen und den schmalen dunklen Fluchtweg aus dem Leben genau
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