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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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sehen konnte. Der alte Mann zückte den Schlüssel, und sie gingen über den mit Pfützen übersäten Hof. Der Alte öffnete das Vorhängeschloss und löste die Kette. Alvaro Fortes zog das Tor auf. Der Schuppen war leer. Felsen ging in die Hocke, drückte einen Finger auf den trockenen Boden. Als er ihn wieder hochnahm, klebten kleine schwarze Partikel an seiner Haut. Er richtete sich wieder auf.
    »Hinknien, alle beide«, sagte er. Er setzte den Lauf auf dem Hinterkopf des alten Mannes auf.
    »Wer begleitet deinen Sohn und die Esel?«
    »Senhor Abrantes.«
    »Was machen sie?«
    »Sie bringen Wolfram nach Spanien.«
    »Wohin bringen sie das Wolfram in Spanien?«
    »Zu einem Lager in Navasfrias.«
    Felsen drückte den Lauf an Alvaro Fortes’ Kopf.
    »Was passiert mit dem Wolfram?«
    »Er verkauft es.«
    »An wen?«
    »An den Meistbietenden.«
    »Hat er auch an die Briten verkauft?«
    Schweigen. Regen peitschte auf den Hof und das Dach.
    »Hat er auch an die Briten verkauft?«
    »Ich weiß nicht, an wen er verkauft. Darüber redet Senhor Abrantes nicht.«
    Felsen wandte sich wieder an den alten Mann.
    »Wann kommt er zurück?«
    »Übermorgen.«
    »Wirst du ihm erzählen, dass ich hier war?«
    »Nein, Senhor, das werde ich nicht … wenn Sie nicht wollen.«
    »Ich will es nicht«, sagte Felsen. »Wenn du es ihm erzählst, komme ich zurück und bringe dich eigenhändig um. Ich schieße dir ein Loch in den Kopf.«
    Um seinen Ernst zu unterstreichen, feuerte er die Waffe so dicht neben dem Ohr des Alten ab, dass er eine Woche lang taub sein würde. Die Kugel prallte von den Granitwänden und dem Schieferdach des leeren Lagers ab. Alvaro Fortes warf die Hände über den Kopf und sank seitlich zu Boden. Felsen packte ihn beim Kragen und schleifte ihn auf den Hof.
    Sie gingen zurück zum Wagen. Felsen trank Schnaps aus seiner Flasche, während Alvaro Fortes blass und zitternd neben ihm stand.
    Er befahl dem Fahrer, sie zurück nach Amêndoa zu bringen, und während draußen der Wind den Regen über die Hügel, durch die kahlen Kastanien und Eichen und gegen die Granitmauern wehte, ertappte Felsen sich bei dem Gedanken an Eva. Noch vor wenigen Abenden war er ein zivilisierter Mann gewesen, der mit einer Frau in einem Nachtklub in Berlin gesessen hatte. Sie hatte ihn angelogen. Vor der Lüge war der Verrat gewesen, doch er konnte keinen Ärger mehr aufbringen. Hier draußen, in der von Geröll übersäten und von Wind gepeitschten Öde, wo die Häuser aus dem Boden gehauen wurden, spürte er nur eine zielstrebige Brutalität, die ihn durch den nächsten Tag bringen würde. Er war ein Primitiver, ein Mann, der aufs Wesentliche reduziert war.
    Und jetzt würde er Joaquim Abrantes töten müssen.
    Es war dunkel, als sie in Amêndoa eintrafen. Das Mädchen und Abrantes’ Eltern aßen, und er setzte sich zu ihnen. Es hatte aufgehört zu regnen, nur der Wind rüttelte weiter an den Dachziegeln. Der alte Mann wollte nichts essen. Seine Frau versuchte, ihn zu füttern, doch er weigerte sich. Sie aß ihr Mahl, wischte die Augen ihres Mannes ab und brachte ihn ins Bett. Das Mädchen wartete auf Felsen. Sie setzte sich nicht zu ihm. Er fragte nach dem Baby. Der Kleine schlief. Sie bot ihm Äpfel an, doch er war noch nicht mit dem Eintopf fertig. Er lauschte dem Rascheln ihrer Röcke, während sie sich um ihn bewegte. Er dachte an Abrantes’ Grunzen und ihr Zischen.
    Während er aß, betrachtete sie ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Selbst wenn sie hinter ihm stand, spürte er ihre Blicke. Er sah anders aus. Er bat um einen Kaffee, den sie nie im Haus gehabt hatten, bevor der Deutsche gekommen war. Er trank ihn, goss aguardente auf den Bodensatz, kippte ihn herunter und wünschte ihr eine gute Nacht. Sie brachte ihm eine flache Eisenpfanne mit Kohlen, mit denen er sein Zimmer in der ehemaligen Scheune auf der anderen Seite des Hofes notdürftig heizen konnte.
    Er lag auf seinem Bett und rauchte im Licht der Sturmlaterne. Nach einer Stunde stand er auf, ging über den Hof und betrat das Zimmer des Mädchens, das keine Tür, sondern nur einen Vorhang hatte. Sie schlief schon. Er stellte die Laterne auf den Boden. Sie wachte mit einem erstickten Schrei auf. Er drückte seine Hand auf ihren Mund und zog die Decke weg. Das Baby schlief an ihrem Rücken. Er schob den Kleinen behutsam zur Seite und drehte ihren Körper, sodass sie auf ihren eigenen Armen lag. Er schob seine Hand an ihren Wollstrümpfen hoch. Sie kniff ihre Schenkel

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