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Tod in Marseille

Tod in Marseille

Titel: Tod in Marseille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Gercke
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nieder.
    Erzähl mir noch einmal die Geschichte von René, sagte sie, als sie sich beruhigt hatte. Wie war das: Die beiden Polizisten sind mit dir in dein Zimmer gegangen, um dich zu verhören. Und du hattest sein Geld während der ganzen Zeit in der Unterhose?
    An diesem Abend war Julien Grimaud gekommen und hatte einen deutschen Gast mitgebracht, der besonders sorgfältig zu behandeln war. Mama Rose hatte die Gelegenheit genutzt, Maria-Carmen mit Grimaud bekannt zu machen. Der hatte die Kleine ein wenig abschätzig betrachtet, und als sie gegangen war, hatte er sich Mama Rose zugewandt und fragend die Augenbrauen hochgezogen.
    Sie werden Sie freundlich behandeln, hatte Mama Rose gesagt. Ich stelle sie unter Ihren Schutz. Sie ist jung, aber sie weiß, was sie will.
    Sie wollen sie ins Geschäft einweihen?
    Ja, sagte Mama Rose, in alles, bis in die kleinsten Einzelheiten. Sie und Fofo werden das Geschäft weiterführen, bis ich gestorben bin. So lange brauche ich das Geld. Danach können Sie entscheiden, wie es weitergehen soll. Ich kann Ihnen voraussagen, was passieren wird: Die Kleine wird ein hartes Kommando führen. Hier wird sich nichts ändern. Sie können Ihre Gäste ruhig weiter hierher mitbringen. Und Ihr Gehalt wird gezahlt wie eh und je. Sie werden sich hüten, auf so eine Quelle freiwillig zu verzichten.
    Mama Rose, Sie sind eine alte Hexe, sagte Grimaud.
    Ihm war nicht klar, wie sehr er damit recht hatte. Zwischen ihm und der alten Afrikanerin gab es keine Geheimnisse. So dachte er jedenfalls. Dass Mama Rose auch deshalb so bedenkenlos in die Zukunft sah – bedenkenlos nicht, was ihr Ende betraf, sondern die Zeit, die sie bis dahin noch übrig hatte –, lag aber daran, dass sie ihren Hexenkräften nicht entsagt hatte, als sie vor langer Zeit nach Europa gekommen war. Weiße, Männer wie Grimaud und Frauen wie Maria-Carmen, mochten klug sein und Macht haben. Wirkliche Macht aber sah anders aus, und von der hatten sie keine Ahnung.

Julien Grimaud
    Der Morgen des Tages, an dessen Nachmittag Julien Grimaud Bella und Nini treffen würde, begann für ihn mit unangenehmen Angelegenheiten. Kollegen aus Süditalien, die auf die Machenschaften der N’drangheta spezialisiert waren, hatten sich zu einer Besprechung angemeldet. Julien hatte den Termin nicht vergessen, aber er hatte ihn auch nicht wirklich ernst genommen. Als er die Kollegen kommen sah – die Tür zu seinem Büro stand offen, und er hatte einen freien Blick über die Abteilung –, konnte er ein Lächeln kaum unterdrücken. Drei junge Männer in Jeans und Lederjacken, die dunklen Haare kurz geschoren, dunkelbraune Gesichter, vom Krafttraining ausgebeulte Figuren – du lieber Himmel, wem wollten die denn imponieren?
    Ziemlich schnell musste Julien dann allerdings begreifen, dass diese italienischen Kollegen überhaupt nicht die Absicht hatten, irgendjemanden zu beeindrucken. Sie waren einem Giftmüllskandal auf der Spur. Und sie hatten die Idee gehabt, dabei auch in Richtung Frankreich zu ermitteln.
    Also, die Sache ist die, sagte Mario. Er führte das Wort, aber Julien ahnte, dass die beiden anderen, die stumm danebensaßen, jederzeit seine Rolle übernehmen könnten; man hatte sich offenbar für heute auf Mario als Wortführer geeinigt. Also, die Sache ist die: Unsere kalabrischen Freunde haben in den achtziger Jahren Millionen damit verdient, Schiffe mit Giftmüll zu beladen, zu versenken und anschließend sowohl für die Müllentsorgung als auch für das versunkene Schiff hohe Summen zu kassieren. Diese Schiffe sind Zeitbomben. Man muss sie finden, bevor die Giftfässer durchrosten und der Inhalt das Wasser verseucht. Der Mann, den die Regierung mit der Suche nach denSchiffen beauftragt hatte, ist tot. Wir gehen davon aus, dass er an Informationen gekommen war, die nicht veröffentlicht werden sollten. Man hat ihn also umgebracht.
    Ein Kollege von Ihnen?, fragte Julien. Er wusste nicht, weshalb diese Italiener ausgerechnet zu ihm gekommen waren. Es war bekannt, dass vor der Küste von Somalia und eben auch vor der Küste Kalabriens nach Giftfässern gesucht wurde. Was sollte er mit dieser Geschichte zu tun haben.
    Nein, sagte Mario, der Mann war Kapitän, ein sehr fähiger.
    Tut mir leid um ihn, sagte Julien.
    Er wusste, dass seine Antwort irgendwie unzureichend war, stand auf und ging ans Fenster. Dort unten auf der Straße drängten sich die Leute gerade in eine Straßenbahn. Eine zierliche schwarze Frau fiel ihm auf. Wo hatte er diese

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