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Tod in Marseille

Tod in Marseille

Titel: Tod in Marseille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Gercke
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Frau schon gesehen? Er wandte sich ab und kam zurück an den Tisch, an dem die drei Italiener saßen und ihn ungerührt anstarrten.
    Dieser Kapitän hatte ein Logbuch, fuhr Mario fort. Es war bis vor ein paar Tagen einfach verschwunden.
    Ja?
    Ihm war, als tauchte ganz hinten, ganz weit weg am Horizont, ein kleiner schwarzer Punkt auf, so klein, dass man ihn mit bloßem Auge kaum erkennen konnte. Und trotzdem würde er größer werden und größer und immer größer …
    Wie wir schon sagten, bisher haben wir vor der Küste Kalabriens und vor Somalia nach diesen Giftfässern gesucht. Aus dem Logbuch geht nun hervor, dass dieser Kapitän von den ihm vorgegebenen Küstenabschnitten abgewichen ist. Seine letzten Fahrten haben ihn nach Westen geführt.
    Nach Westen?
    Um genau zu sein: vor die Küste von Marseille. Unser Mann war kein Phantast. Er muss irgendwelche Anhaltspunkte gehabt haben. Wenn ein italienischer Kapitän, dessen Auftrag ihn eigentlich in andere Gegenden geführt haben sollte, hier bei Ihnen Schweinereien vermutet, dann, so haben wir uns gesagt,werden die französischen Kollegen irgendetwas gehört haben. Wir sagen nicht, dass Sie etwas wissen. Wir meinen ausdrücklich nur Gerüchte.
    Die Rede des italienischen Kollegen gefiel Julien aus verschiedenen Gründen nicht. Der wichtigste war, dass es tatsächlich Gerüchte gegeben hatte und dass er in einem Augenblick, in dem er mit diesem Deutschen ein lukratives Geschäft abgeschlossen hatte, irgendwelche Schnüffeleien an der Küste überhaupt nicht hatte gebrauchen können. Er hatte stattdessen dafür gesorgt, dass die Gerüchte nicht ernst genommen wurden. Dann war vor ein paar Tagen das Schiff des Deutschen, die Mariella, in den Hafen von Marseille eingelaufen. Er wusste nicht, was sie geladen hatte, aber er nahm an, dass die Ladung hoch versichert war. Er hatte bei einer Fahrt mit dem Polizeiboot einen kurzen Blick auf das Schiff geworfen und war überrascht gewesen. Da lag kein Schrottdampfer, wie er vermutet hatte. Auch das Schiff selbst würde eine hübsche Versicherungssumme bringen.
    Was für Zeiten, hatte er gedacht, in denen Reeder ihre Flotte vernichten, um am Leben zu bleiben.
    Er kannte seine Aufgabe. Er hatte sich seit Tagen vorbereitet. Ein Besuch in der Kaserne unterhalb der Corniche und ein Besuch in der Asservatenkammer waren zu seiner Zufriedenheit verlaufen. Am Abend desselben Tages hatte er mit der Arbeit begonnen. Es war nicht weiter schwer gewesen, den Sprengstoff an Bord zu bringen und den Zünder zu befestigen. Die Mannschaft – er stockte einen Augenblick, als er das Wort »Mannschaft« dachte. Wie viel Mann Besatzung hatte die Mariella eigentlich? Nissen hatte kein Wort darüber verloren. Wie wollte er die Leute von Bord bringen, bevor das Schiff in die Luft flog? Als er an Bord gekommen war, hatte er nur eine Wache dort gesehen.
    Alle Mann an Land, hatte der Philippino gesagt und dabei breit gegrinst.
    Er hatte den Mann an Deck zurückgelassen und einen Inspektionsgang durch das Schiff angetreten. Dabei hatte er sich nicht einmal die Zeit genommen, die Ladung näher zu untersuchen. Als er zurückkam, war der Rucksack über seiner Schulter leer gewesen. Er hatte genau hingesehen: dem Philippino war nichts aufgefallen. Es war nicht einmal nötig gewesen, mit dem Mann noch eine Zigarette zu rauchen. Das hatte er vorgehabt, für den Fall, dass Misstrauen zu zerstreuen gewesen wäre.
    Alles in Ordnung, Mann, hatte er gesagt. Grüß den Kapitän. Er soll unsere Mädchen in Ruhe lassen.
    Immer noch breit grinsend, war ihm der Philippino ans Fallreep gefolgt, hatte Aye, aye, Sir gezwitschert und hinter ihm hergesehen, bis er im Motorboot stand und abfuhr. Julien war ziemlich sicher gewesen, dass der Mann ihn nicht verstanden hatte.
    Die Mariella war dann mit Kurs auf die Bahamas ausgelaufen und inzwischen untergegangen. Schiff und Mannschaft waren verschwunden. Es gab Spekulationen, aber niemand hatte bis jetzt auch nur den leisesten Hinweis auf das gefunden, was wirklich vorgegangen war. Er selbst, Julien, wusste nicht, ob die Mannschaft noch lebte oder ob sie sich rechtzeitig abgesetzt hatte. Italiener, die vor der Küste herumschnüffelten, konnten leicht auf die Idee kommen, die Dreimeilenzone zu verlassen und sich weiter draußen umzusehen. Er konnte diese Leute im Augenblick überhaupt nicht gebrauchen. Ihm gefiel auch der Ton nicht, in dem der italienische Kollege sein Anliegen vorgetragen hatte. Man musste sie in ihre

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