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Tod in Seide

Tod in Seide

Titel: Tod in Seide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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Übermalung das darunter liegende Bild verstecken wollte. Also holte Marco sein Aceton, tauchte ein Wattestäbchen hinein und tupfte an dem Bild herum, zuerst im rechten oberen Eck.«
    »Und Sie, was haben Sie getan?«
    »Ich stand hinter ihm, um ihm zuzusehen und ihm zu assistieren, falls er meine Hilfe brauchte.«
    »Und Deni?«
    »Sie saß ihm praktisch auf dem Schoß. Nicht, dass es ihn bei ihr gestört hätte.«
    »Wie lange dauert das für gewöhnlich, was er gemacht hat?«
    »Das kommt drauf an – wie viele Schichten es sind und wie leicht beziehungsweise wie schwer sie sich entfernen lassen. Ich würde sagen, Marco arbeitete fast eine Stunde, mehr oder weniger, ohne ein Wort zu sagen. Dann hielt er inne und teilte uns mit, dass er glaubte, durch die erste Schicht gekommen zu sein. Er stand auf, um sich zu strecken, und bat mich, einen Blick auf das Bild zu werfen. Was ich auch tat.«
    »Was haben Sie gesehen?«
    Cannon lächelte das erste Mal seit zehn Minuten. »Sie hören sich genauso an wie Denise. ›Was siehst du, Marco? Was kannst du mir sagen?‹ Er schenkte sich noch ein Glas Wein ein und stellte mir ein paar Fragen. Beachtete Deni gar nicht. ›Welches Jahrhundert siehst du jetzt, mein Junge? Welche Schule, welcher Künstler?‹ Er machte das immer so mit mir und freute sich über die wenigen Male, in denen ich die Antwort genauso schnell parat hatte wie er.«
    »Haben Sie irgendetwas erkannt?«
    »Nur, dass Marco durch das Entfernen der obersten Farbschicht und des Schmutzes, der das Bild so entstellt hatte, einige Jahrhunderte zurückgegangen war. Woher auch immer dieses Bild stammte, es war ganz fürchterlich in Mitleidenschaft gezogen worden.«
    »Was passierte dann?«
    »Er machte sich wieder an die Arbeit, fügte dem Aceton etwas Ammoniak bei und tupfte geduldig weiter. Diese Arbeit ist ein reines Geduldsspiel. Nach einer Weile wurde ein kräftiges Blau mit einem äußerst perligen Glanz sichtbar. Es verschlug ihm beinahe den Atem, als er den Kontrast zwischen den alten und den neuen Farben sah.«
    »Verzeihen Sie meine Unkenntnis«, sagte Mike, »aber warum?«
    »Ich wusste es in dem Moment selbst nicht, aber ich nehme an, dass er in dem Augenblick den Künstler, vielleicht sogar das Bild erkannt hat.«
    »Und Deni?«
    »Sie hatte ihm oft genug dabei zugesehen um zu wissen, dass er auf etwas gestoßen war.« Wieder gab Cannon eine seiner Imitationen zum Besten. »Sie drängte ihn: ›Mach weiter, Marco.‹ Ich erinnere mich, dass er einen Augenblick zögerte, dann nahm er eines seiner spitzen Werkzeuge, ähnlich wie ein Skalpell, und kratzte an einer anderen Stelle des Bildes an dem dicken Lack. Nahe der Mitte kam ein helles Gelb zum Vorschein, das in der darüberliegenden Schicht fast braun gewesen war. Dann wurde ich hinausgeschickt.«
    »Von Denise Caxton?«
    »Von Marco Varelli. Diese vertraute kleine Geste, von der ich Ihnen zuvor erzählt hatte, so als ob man einen Schoßhund verscheucht. Genau die. ›Das ist alles, was ich heute tun werde‹, sagte er. ›Sie können nach Hause gehen.‹«
    »Und sind Sie nach Hause gegangen?«
    »Ich habe natürlich das Studio verlassen. Aber meine Neugier war geweckt. Ich ging direkt in die Unibibliothek von NYU, um zu recherchieren. Zu dem Zeitpunkt war ich mir ziemlich sicher, dass es etwas aus dem siebzehnten Jahrhundert war, wahrscheinlich aus Holland.«
    »Ein Rembrandt?«, fragte Mike.
    »Nicht schlecht geraten, Detective. Es war ein Interieur von einem großen Farbenkünstler. Ich tippte auf Vermeer, der für seine perlig schimmernden und herrlich leuchtenden Blau- und Gelbtöne bekannt war. Ich steckte meine Nase in die Bücher, bis ich gefunden hatte, wonach ich suchte. Haben sie jemals von einem Gemälde mit dem Titel Das Konzert gehört?«
    Wir schüttelten den Kopf.
    »Sie wissen von dem Einbruch im Gardner-Museum?«
    Mike spitzte die Ohren. »Ja, warum?«
    »Zusammen mit dem großartigen Rembrandt, über den Sie offensichtlich Bescheid wissen« – Cannon nickte Chapman zu – »wurde auch ein Vermeer gestohlen, der seitdem auch nicht wieder aufgetaucht ist. Das Bild heißt Das Konzert , und man sieht darauf eine junge Frau, die einem Mann und einer Frau etwas auf einem Cembalo vorspielt. Ich glaube, ich bin einer der wenigen Menschen auf der Welt, die das Gemälde – oder wenigstens etwas davon – in den letzten zehn Jahren gesehen haben. Die beiden anderen Menschen, die es mit mir gesehen haben – Mrs. Caxton und Mr. Varelli –

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