Tod in Seide
worüber ich mir letzte Woche Gedanken gemacht hatte. An jenem Nachmittag waren wir zum Mittagessen verabredet, und ich wartete und wartete …«
»Sie war mit Ihnen verabredet? An dem Tag, an dem sie verschwunden ist?«, fragte Chapman.
»Habe ich Sie jetzt etwa doch überrascht, Detective? Ich ging davon aus, dass Sie das wüssten – von ihrer Haushälterin oder von sonst jemandem, mit dem Sie gesprochen haben. Haben Sie mich das nicht gefragt, als wir das erste Mal miteinander gesprochen haben? Ich bin mir ziemlich sicher.«
Chapman schien es peinlich zu sein, dass er eine der wesentlichen Fakten, was Denise Caxtons letzten Tag anging, nicht wusste. »Die Wächter in der Tiefgarage haben gesagt, dass sie ziemlich früh am Morgen mit dem Auto wegfuhr. Niemand, mit dem wir gesprochen haben, schien über ihre Pläne für diesen Tag Bescheid zu wissen. Was haben Sie getan, als sie nicht zum Essen erschien?«
»Ich wartete eine halbe Stunde. Ich versuchte, sie zu Hause, im Auto, in der Galerie zu erreichen. Ohne Erfolg. Fragen Sie den Oberkellner im Jean-Georges – ich dachte, Sie hätten das schon getan. Ich muss das Telefon dort ungefähr zwanzig Minuten lang blockiert haben, während ich versuchte, Deni zu erreichen.«
»Waren Sie verärgert? Haben Sie die Polizei angerufen?«
»Nein. Ich nehme an, dass Ihnen der Kellner bestätigen könnte, dass ich nicht sehr verärgert war, also brauche ich nicht so zu tun als ob. Nichts, was ein paar Martinis nicht eingerenkt hätten. Ich hatte es halb erwartet, dass sie mich an dem Tag versetzen würde. Wir hatten die Woche zuvor eine kleine Meinungsverschiedenheit.«
»Geschäftlich?«
»Nein, überhaupt nicht. Und im Nachhinein gesehen ging’s auch nicht gerade ums Vergnügen.« Wrenley sah mich an. »Ich habe Ihnen das letzte Mal erzählt, dass Deni und ich auch noch andere Beziehungen hatten. Ich bin in Paris jemandem begegnet, einer Frau, deren Mann vor kurzem gestorben war und die überall verkündete, dass ihre Trauerphase vorüber sei. Wir verbrachten ein Wochenende miteinander, und es gab gar keinen Grund, warum Deni es herausfinden sollte. Doch wie der Zufall es wollte, entpuppte sie sich als ein Freundin von Deni.«
»Marina Sette?«, fragte Chapman.
»Bravo, Detective! Achtundvierzig Stunden in einem kleinen Hotel an der Rive Gauche und tout New York weiß Bescheid. Ich weiß, dass Marina es Deni gesagt hat und dass sie deshalb so wütend auf mich war. An sich hielt Deni es mit dem Motto, ›Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß‹, aber Marina hat sie förmlich mit der Nase darauf gestoßen.«
»War daraufhin Schluss zwischen Ihnen und Deni?«
»Natürlich nicht. Aber unsere Beziehung war fürs Erste deutlich abgekühlt, um es mal so auszudrücken. Sie gab mir zu verstehen, dass sie viel Zeit mit Preston Mattox verbrachte, aber sie tat das nur, um mich zu ärgern.«
»Sie glauben also nicht, dass sie ihn geliebt hat?«
»Für Deni war Sex sehr wichtig, Miss Cooper. Sie hat einmal den Fehler gemacht, mir während einer besonders anstrengenden und ausgelassenen Liebesnacht zu sagen, dass es in ganz Amerika nicht genug Viagra gäbe, damit Preston auch nur einen Monat lang mit ihr mithalten könnte.«
Jedes Mal, wenn ich gerade anfing, sie ein bisschen zu mögen, hörte ich etwas, das mich wieder vom Gegenteil überzeugte. Es war sinnlos, sich mit Wrenley darüber zu unterhalten, ob sein Rivale vielleicht andere Qualitäten hatte.
»Als sie nicht ins Restaurant kam und ich sie nicht erreichen konnte, dachte ich, dass sie einfach ein bisschen Zeit bräuchte, um über die Sache mit mir und Marina hinwegzukommen. Sie hatte sowieso nur in die Verabredung zum Mittagessen eingewilligt, weil wir auch Geschäftliches zu bereden hatten und weil sie mich nicht am Abend treffen wollte. Da war sie schon mit Mattox verabredet.« Anscheinend konnte man mir meine Überraschung doch anmerken, denn Wrenley blickte von mir zu Mike. »Aber das wussten Sie doch sicher, oder? Wenn einer Grund hatte, sich Sorgen zu machen, als sie nicht zu der Verabredung auftauchte, dann war das Preston und nicht ich. Sieht so aus, als ob ich nicht ganz umsonst hierher gekommen bin. Ich hoffe, dass Sie es sich überlegen werden, zu überprüfen, warum Lowell Caxton es so eilig hat, seine Galerie zu schließen.«
Ich hatte nicht die Absicht, Wrenley zu sagen, was wir als Nächstes tun würden. »Ich schlage vor, Ihr Anwalt unternimmt alles, was er seiner Ansicht nach zur Wahrung
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