Tod in Seide
Abstände zwischen den Traumabschnitten misst.«
»Sind da noch Stellen frei?«, fragte Mike. »Ich vermute, mittlerweile ist jemand auf meine erprobte Lösung für dieses Problem gekommen. Zwei Cocktails, vögeln, eine Zigarette danach – und du schläfst garantiert stundenlang. Vielleicht könnte ich mich dort als Berater bewerben.«
»Hat diese Klinik eine Lizenz, Patti?«
»Ja, Alex. Sie ist an das Saint Peter’s Hospital angegliedert, in einem großen Bürogebäude oben auf der Amsterdam Avenue, in dem alle Kliniken des Hospitals untergebracht sind. Diese hier wird sogar von dem Leiter ihrer psychiatrischen Abteilung geleitet, das heißt, sie nehmen sie sehr ernst.«
»Und das Opfer?«
»Ihr Name ist Flora. Eine sehr zerbrechlich wirkende 22-Jährige, die mit ihrer Mutter in Fiatbush wohnt. Sie lernte den Angeklagten kennen, als er Psychologieprofessor am Brooklyn College war. Nach Beendigung des Schuljahres ging sie zu ihm in Therapie, war aber klug genug, die Sitzungen abzubrechen, als er begann, sie anzubaggern. Das war vor fast zwei Jahren. Da sie in letzter Zeit unter Depressionen litt, suchte sie seine Nummer im Telefonbuch und rief ihn wieder an. Er machte mit ihr einen Termin in der Klinik aus, in der er, wie er ihr sagte, zur Zeit arbeitete. Er sagte, er würde noch immer nebenher als Therapeut arbeiten.«.
Ich machte mir Notizen, während Patti in ihrer Schilderung fortfuhr.
»Flora kam am Dienstag Abend um acht Uhr in sein Büro. Sie bezahlte den Therapeuten – sein Name ist Ronald – für die Sitzung. Am Ende riet er ihr, sich eine Arbeit zu besorgen; sie brauchte eine ernsthafte Aufgabe. Er bot ihr eine Stelle als Computerexpertin in der Klinik an. Er zog einen Vertrag über ein Jahr Laufzeit aus seiner Schreibtischschublade, unterschrieb ihn und wies sie an, ebenfalls zu unterschreiben.«
Mir lagen Dutzende von Fragen auf der Zunge, aber anstatt Pattis Schilderung zu unterbrechen, ging ich davon aus, dass sie das meiste, was ich wissen musste, noch erwähnen würde.
»Schließlich nahm Ronald den Vertrag wieder an sich und sagte Flora, dass er ihn erst an seinen Chef, den Oberarzt, weiterreichen würde, wenn sie sich ihm mit Oralverkehr dankbar zeigen würde.«
»Ich habe mir hundertprozentig den falschen Job ausgesucht«, murmelte Chapman.
Patti fuhr fort. »Ronald wedelte mit dem Vertrag vor ihrer Nase und wiederholte immer wieder, ›Erst besorgst du’s mir, dann besorg ich dir einen Job.‹ Innerhalb von fünf Minuten war Flora in Tränen aufgelöst und ging auf seine Bedingung ein. Während der ganzen Zeit lagen in einigen der kleinen Alkoven, die an Ronalds Büro angrenzten, Schlafende – natürlich nackt, und an Monitore angeschlossen, die ihre Atmung, ihren Blutdruck, ihre REMs und so weiter maßen. Als Ronald ihr ihre Durchschrift des Vertrags reichte, sagte er ihr, es sei besser als sonst gewesen. Er erzählte ihr, dass er sonst die meiste Zeit da stand und masturbierte, während er den Schlafenden dabei zusah, wie sie ins Land der Träume entschwanden.«
Chapman sprang auf. »Sie meinen, diese Idioten zahlen einen Haufen Kohle dafür, dass sich dieser Wichser einen runterholt, während sie sich unruhig in den Schlaf wälzen? Meine Schlaflosigkeit wäre mit einem Schlag geheilt. Den Perversling würde ich gern an seinen Eiern an einem Stuhl festbinden und ihn zwingen, vierundzwanzig Stunden lang Wiegenlieder anzuhören. Da könntet ihr sehen, wie der schläft. Ich kapier’s nicht, Coop. Im Vergleich zu dem, womit ihr euch beschäftigt, ist Mord ja absolut verständlich.«
»Wie kam es zur Anzeige, Patti?«
»Als Flora Ronald gestern anrief, um ihn zu fragen, wann sie anfangen könnte, sagte er ihr, dass es keinen Job für sie gibt, da es nicht in seiner Kompetenz läge, jemanden einzustellen oder zu feuern. Daraufhin stürmte sie in die Klinik und zeigte den Vertrag dem leitenden Arzt, der ihr sagte, dass er reiner Schwindel sei. Also ging sie geradewegs zum Münzfernsprecher an der Ecke und rief die Polizei an. Ich dachte mir, Sie sollten darüber Bescheid wissen, bevor ich etwas in der Angelegenheit unternehme.«
»Gut gedacht.« Wenn man mir schmeichelte, wirkte das fast jedes Mal. Patti wusste, dass wir als Ankläger eine stärkere Argumentation für die Verhandlung aufbauen konnten, wenn wir den Verlauf der Ermittlungen vor der Verhaftung mitbestimmen konnten.
»Was gibt es da noch zu denken?«, fragte Chapman. »Legt ihm Handschellen an und steckt ihn in die
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