Tod in Seide
wissen.«
Sie nahm einen Fünfzig-Dollar-Schein aus ihrer Tasche und bat den Ober, die Rechnung zu bringen. »Falls Sie mich brauchen – ich werde noch einige Tage hier im Hotel sein, bevor ich wieder abreise.«
»Unter dem Namen ›Seven‹?«, fragte ich.
»Ja, natürlich.« Sie lächelte. »Aber, aber, Miss Cooper, ich glaube fast, Sie wollten vor unserem Treffen Erkundigungen über mich einziehen. Er ist meinem tatsächlichen Namen ähnlich genug – das italienische Wort für ›sieben‹. Ich hatte ihn vor beinahe dreißig Jahren kurz verwendet, als ich auf der Bühne Karriere machen wollte. Konnte ich Sie in Verlegenheit bringen?« Offensichtlich bereitete ihr die Vorstellung Vergnügen.
»In der Tat, das ist Ihnen gelungen. Wir haben nichts gefunden. Für jemanden mit Ihrem Vermögen ist das zu wenig.«
»Seven ist mein Name, gewissermaßen. Ich wurde als Marina Sette in Venedig geboren. Mein Mutter ließ mich im Stich, als ich achtzehn Monate alt war. Sie ließ meinen Vater wegen eines flotten Amerikaners sitzen – Lowell Caxton.«
Unwillkürlich zog ich vor Überraschung die Luft ein.
»Mein Vater verließ Italien und ging in die Vereinigten Staaten, wo ich von seinen Eltern aufgezogen wurde, während meine Mutter ihr Stiefkind und noch zwei eigene von Lowell großzog. Sie blickte nie zurück; vielleicht hätte sich ja der Bootsunfall vermeiden lassen, wenn sie es getan hätte.«
Ich war mit der liebevollsten Mutter auf der ganzen Welt aufgewachsen und konnte nicht verstehen, wie irgendeine Frau ihr Kind im Stich lassen konnte, um mit einem Mann durchzubrennen.
Marina Sette fuhr fort. »Noch bevor ich sechs Jahre alt war, war es meinem Vater gelungen, seine Autoteilefabrik in Michigan – Sette Moto – zu einem integralen Bestandteil der Ford-Motorenwerke zu machen. Geld war für mich nie ein Thema – falls Sie Reichtum an materiellen Gütern messen wollen, und, glauben Sie mir, ich konnte das nie.«
»Aber Lowell Caxton – er wusste doch sicher, wer Sie waren.«
»Vielleicht hätte er mich erkannt, wenn ich so atemberaubend schön gewesen wäre wie es meine Mutter anscheinend war. Aber er hatte nie auch nur die geringste Ahnung. Dann, nach dem Eklat in England, als Deni ihn auf jede nur erdenkliche Art und Weise verletzen wollte, konnte sie der Versuchung nicht widerstehen, es ihm zu sagen.«
»Und seine Reaktion?«
»Ich hätte mir natürlich gewünscht, dass er wütend geworden wäre. Ich wollte, dass es ihm ein paar schlaflose Nächte verursachen würde oder dass er, wenn er sich schon nicht um meine Gefühle kümmerte, zumindest den Verlust eines seiner kaufkräftigsten Kunden – ich meine damit meinen Mann – bedauern würde. Aber ich hätte es mir denken können – es war ihm völlig egal. Sie können sicher verstehen, warum ich der Meinung war, dass Deni sich mit ihrem Brieffreund auf ein so gefährliches Spiel eingelassen hatte. Es gab schließlich keinen Grund, sich außerhalb der Familie umzusehen.« Marina Sette nahm ihre Zigarette aus der Zigarettenspitze und drückte sie in dem Aschenbecher auf dem Tisch aus. »Ich hätte Lowell Caxton selbst umbringen können.«
12
Laura hielt mich auf, als ich eine halbe Stunde, nachdem ich mich von Mercer vor dem Eingang zum Four Seasons Hotel verabschiedet hatte, zurück an meinen Schreibtisch eilte. Es war fast drei Uhr nachmittags, und ich ließ mich heute zum ersten Mal im Büro blicken. »McKinney wollte Sie sprechen. Er hat jemanden mit den Ermittlungen bezüglich des Toten, der gestern Nacht beim Rangierbahnhof gefunden wurde, beauftragt.«
»Sagen Sie ihm, er soll seine Voice Mail abhören. Ich habe ihm heute Vormittag eine Nachricht hinterlassen und ihm mitgeteilt, dass das zu meinem Fall gehört. Sagen Sie ihm bitte so höflich wie möglich, dass er die Finger von meinen Leichen lassen soll, ja? Ist der Chef schon aus Albany zurück?«
»Rose sagt, kein Grund zur Aufregung. Er ist den ganzen Nachmittag in einer Sitzung mit den Rechtsanwälten, die den ausländischen Bankenskandal bearbeiten. Sie bieten einige Millionen Schadensersatz an – Battaglia hat noch nicht mal nach Ihrem Fall gefragt, seit er zurück ist. Aber Sie haben überraschend Besuch, Alex. Mrs. Braverman ist wieder da. Sie sitzt schon seit Mittag im Wartesaal und weigert sich, zu gehen oder mit jemand anderem zu sprechen. Sie seien die Einzige, die ihr helfen kann.«
»Sagen Sie Max, sie soll sie zu mir bringen. Das letzte Mal war sie vor sechs Monaten
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