Tod in Seide
ins Bett hüpfst.«
Ich warf ihm einen nicht gerade freundlichen Blick zu.
»Mercer oder ich ?«, fragte er.
»Diesmal ist es nicht die Etikette, sondern die Empfindung, die mir zu denken gibt.«
Mike legte seine Füße auf meinen Schreibtisch. »Was ist mit deinem Freund Drew? Der Typ tat mir irgendwie Leid.«
»Er war noch nicht so weit. Wir genossen unsere gemeinsame Zeit, aber er war einfach noch nicht über den Tod seiner Frau hinweg. Als Milbank ihm anbot, ihn in ihre neue Kanzlei nach Moskau zu versetzen, nahm er an.«
»Wie mein Freund Scanion sagen würde, ›Das Kamel scheißt, die Karawane zieht weiter.‹ Die gute alte Mrs. B. hat Recht. Du brauchst einen Kerl, bevor dich dieser Job hier noch völlig auffrisst, Kind.«
»Fang nicht damit an, Mike. Es reicht schon, wenn sich alle anderen nicht vorstellen können, warum ich meinen Beruf so gern habe. Von meinen Freunden erwarte ich wenigstens, dass sie mit mir der Ansicht sind, dass es der aufregendste Job auf der ganzen Welt ist. Wie viele Leute stehen morgens auf und freuen sich darauf, in die Arbeit zu gehen? In all den Jahren hatten du und ich noch keine zwei Tage, die irgendwie langweilig gewesen wären oder die auch nur im Entferntesten gleich ausgeschaut hätten. Und überhaupt, da redet der Richtige.« Ich wusste, dass ich mich umsonst aufregte – Mike war einfach nur in einer dieser Stimmungen, die jeden von uns ab und zu überkamen.
»Jacob Tyler. Ist das nicht der kleine Brian Williams?«
»Ich glaube nicht, dass das seine Lieblingsbeschreibung wäre.«
»Aber er ist doch der, der für Brian Williams übernimmt, wenn Williams Tom Brokaw vertritt, oder? Der zukünftige Anchorman. Tiefe Stimme, fülliges Haar, die schönsten gestreiften Hemden im Fernsehen.«
»Wenn du bereit bist, mir alles über dein Liebesleben zu erzählen, dann spendier’ ich uns ein paar Drinks, und wir können einen ganzen Abend lang unsere Erfahrungen austauschen, falls du Lust dazu hast.«
»Dazu brauche ich nur eine halbe Minute. Die Geschichte meines Liebeslebens passt auf eine Zigarettenschachtel. Jetzt komm, holen wir uns die Unterschrift, damit ich morgen früh ein bisschen an Bryans Käfig rütteln kann.«
Als wir aus dem Gerichtssaal zurückkamen, warteten Catherine Dashfer und Marisa Bourges, die beiden dienstältesten Mitarbeiterinnen der Abteilung für Sexualverbrechen, in meinem Büro. »Hast du vergessen, dass Rich heute vor Gericht stand?«, fragte Marisa. Rich war ein junger Kollege, der das erste Mal eine Beziehungsvergewaltigung vor Gericht verhandelte.
»Mist, das habe ich total vergessen. Ich bin so mit dieser einen Sache beschäftigt, dass ich gar nicht mehr mitkriege, was sonst noch in der Abteilung läuft.«
»Schon in Ordnung. Als er hörte, dass du nicht da bist, rief er uns an, und wir halfen ihm. Heute war die medizinische Beweisführung an der Reihe, und sein Zeuge hat sich extrem gut gehalten.«
In über siebzig Prozent der gemeldeten Sexualstraftaten erleidet das Opfer keine schwere Körperverletzung. Obwohl eine Körperverletzung nicht Teil des Verbrechensbildes »Vergewaltigung« ist, erwarten die meisten Geschworenen, von blauen Flecken und Verletzungen zu hören. Oft benötigen wir vor Gericht die Aussage eines Arztes, der das Fehlen von Wunden sowie die Elastizität der Vagina erklärt.
»Danke, dass ihr für mich eingesprungen seid. Ich hatte befürchtet, dass Michael Warner aus Richs Doktor Kleinholz machen würde.« Der Anwalt des Angeklagten war ein gemeiner, kleinlicher Schreihals, und obwohl der Arzt, der das Opfer untersucht hatte, über viele Jahre Erfahrung in der Notaufnahme verfügte, hatte er nie zuvor vor Gericht ausgesagt.
»Ich glaube, dass Rich ihn im Sack hat. Dr. Hayakawa hat sich wacker geschlagen. Er hat jeden Angriff von Warner pariert, seine Diagnose geschildert und mit dem Hinweis geendet, dass sie mit der Schilderung des Tathergangs des Opfers übereinstimmt. Zum Schluss stand Warner im anderen Eck und brüllte den Doktor, über den er sich der Show wegen auch noch lustig machte, aus vollem Hals an. ›Doktor, ich möchte, dass Sie den Geschworenen sagen, warum Sie nicht mit Verletzungen oder Abschürfungen gerechnet haben, obwohl Ihnen diese Frau den Tathergang als äußerst brutal und lebensbedrohlich geschildert hat.‹ Dr. Hayakawa war nicht aus der Ruhe zu bringen. Er blickte den Geschworenen direkt in die Augen und sagte: ›Weil, meine Damen und Herren, ein Penis eigentlich nicht so
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