Tod in Seide
dass sie die Kunstwerke in einem Getränkelastwagen transportieren ließ. Als man alle Bilder unversehrt wieder fand, beruhigte sie sich und kam allmählich zu der Überzeugung, dass es nur ein dummer Zufall gewesen war. Amateur-Coladiebe am Werk.«
»Vielleicht dachte jemand, sie hätte den Rembrandt und der würde sich unter den ganzen Delia Spigas befinden?«
»So wie sie sich damals aufregte, hätte man das fast denken können. Aber die Polizisten, die den Lastwagen gefunden haben, haben jedes Stück einzeln aufgeführt. Kein Rembrandt, Detective Chapman. Und Deni wäre am nächsten Tag wohl kaum so erleichtert gewesen, wenn sie ein Meisterwerk vermisst hätte.«
»Diese Reise nach England, die Lowell im Juni vergangenen Jahres allein gemacht hat – die, auf der die Ehe in die Brüche ging. Was hatten Sie und Deni damals so Wichtiges zu tun, dass sie hier blieb?«
»Sie können sich noch so anstrengen, Chapman, aber in diese Sache werden Sie mich nicht mit hineinziehen. Was immer es auch war, Deni hat mich nicht eingeweiht. Aber Sie haben Recht, es muss etwas Wichtiges gewesen sein. Ich weiß nicht, wer sie angerufen, sie kontaktiert hat, aber dieser Jemand machte offensichtlich ein Angebot, das sie nicht abschlagen konnte. Sie zog sich völlig zurück und tat sehr geheimnisvoll. Damals hat mich das sehr geärgert, aber nach ein paar Tagen war sie wieder die Alte, änderte ihre Pläne und flog Lowell hinterher. Den Rest kennen Sie ja. Ich habe mir weiter nicht den Kopf darüber zerbrochen. Ich dachte mir halt, dass ihr jemand ein Geschäft angeboten hat, aus dem dann nichts geworden ist. Das ist in unserer Branche keine Seltenheit.«
Daughtrys Gegensprechanlage summte, und das Empfangsfräulein teilte ihm mit, dass die Detectives eingetroffen seien.
Chapman stand auf. »Führen Sie doch bitte meine Männer herum.« Dann lehnte er sich über den Schreibtisch, so dass seine Fäuste die lederne Schreibunterlage berührten. »Denken Sie daran, Mr. Daughtry, dass Sie sich nicht nur mit mir rumschlagen müssen. Eine falsche Bewegung, und die Jungs von der Eleventh Avenue werden sich um Sie kümmern – Knuckles ›Knöchel‹ Knox, Stumpy ›Klumpfuß‹ Malarkey, One-Lung ›Lunge‹ Curran. Die haben so ihre Methoden, die der Supreme Court nicht unter sechs Mal lebenslänglich ahnden würde.«
Als Daughtry den Raum verlassen hatte, drehte ich mich zu Mike um. Ich kochte. »Was, zum Teufel, redest du da? Schlimm genug, dass ich nicht weiß, was du tust, wenn ich nicht dabei bin, aber du kannst doch nicht solche Drohungen aussprechen! Und ich kann nicht einfach dasitzen und so tun, als ob ich es nicht gehört hätte.«
»Nur ein einziges Mal. Mein ganzes Leben schon wollte ich das zu jemandem sagen. Dieser Straßenzug hieß ›Battle Row‹, die Straße der Kämpfe, und Knuckles und Stumpy gab es wirklich. Mein Vater hatte eine Heidenangst vor ihnen, als er noch ein Schuljunge war. Beruhige dich, Blondie. Diese Gang gibt’s seit 1932 nicht mehr. Sind alle schon zwei Meter unter der Erde. Hab’ ich mich wie Cagney angehört? Hab’ ich dir Angst eingejagt?«
Mike ging zur Tür und signalisierte Wrenley, ins Büro zu kommen und sich zu setzen. Ich stellte mich vor.
Er war von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet – Polohemd mit Kragen, Leinenhose, Halbschuhe, die mit einer Troddel geschmückt waren – und jedes seiner pechschwarzen, nach hinten gekämmten Haare war perfekt an seinem Platz. Wahrscheinlich war das sein Stil, nicht seine Trauerkleidung.
»Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn wir Ihnen einige Fragen über Denise Caxton stellen«, begann Mike. »Wir haben gehört, dass Sie und Deni sehr eng befreundet waren.« Die Kampflust, mit der er Daughtry angegangen war, war jetzt wieder aus seiner Stimme gewichen. Ich wusste, dass er hoffte, von Wrenley persönlichere Informationen zu bekommen.
»Das war kein Geheimnis, Detective. Ich lernte Deni vor zwei oder drei Jahren kennen. Nach dem Krach zwischen ihr und Lowell letztes Jahr wurde unsere Beziehung intimer.«
»Die Konkurrenz hat Sie nicht gestört?«
»Meinen Sie Ihren Mann oder Preston Mattox? Ich machte mir keine Illusionen. Deni war praktisch noch ein Kind gewesen, als sie Lowell kennen lernte. Sie war ihm die ganze Zeit treu gewesen, obwohl sie wahrlich genug Möglichkeiten für einen Seitensprung gehabt hätte. Nachdem er sie mit dieser Sache in Bath vor den Kopf gestoßen hatte, war sie begierig danach, flügge zu werden. Sie hatte es
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