Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition)
Geschäftsleute und Zuhälter, Gauner, Ganoven und Mädchen, Mädchen und Mädchen – stundenweise jung und schön. Eine Musikbox plärrte, im Spielsalon klingelten die Automaten, ein Matrose grölte laut und falsch ein Lied, eine Frau kicherte.
Ich bin wieder hier, dachte Paul. Es ist meine Straße! Er lehnte sich an eine Mauer und beobachtete das Gewimmel. Ein Mädchen strich mit wippendem Hintern vorbei, und er starrte ihr nach. Sein Pullover wurde ihm zu heiß, und er wollte ihn gerade ausziehen, als er sie sah.
Fred, und neben ihm Harald.
Sie standen am Straßenrand, dunkel gegen die hellen Lichter der Kneipen auf der anderen Seite. Sie warteten breitbeinig, die Daumen lässig in die Hosentaschen gehakt.
Paul schluckte krampfhaft und drehte sich um.
Bertie und Walter standen auf dem Fußgängerstreifen. Dicht an der Mauer, wie er. Keine zehn Schritte entfernt.
Die vielen hundert Menschen rund um Paul schienen sich plötzlich in Luft aufzulösen. Er war allein. Allein mit den vier anderen. Mechanisch setzte er sich in Bewegung. Er schob sich an den Hauswänden entlang, in die einzige Richtung, die noch frei zu sein schien. Er versuchte, ruhig zu atmen, aber die Luft kam zischend aus seinem offenen Mund wie aus einem Blasebalg. Er kniff die Augen zusammen und riß sie wieder auf. Die Lichter über ihm tanzten und verschwammen zu wirren Mustern. Sein Magen schmerzte so, daß er kaum aufrecht gehen konnte.
Ohne sich umzusehen wußte er, daß sie ihm folgten. Als er die Straßenkreuzung fast erreicht hatte, versperrte ihm plötzlich eine dichte Menschentraube den Weg. Ein Aufreißer machte seine Sprüche, erzählte Zweideutigkeiten von der Show drinnen und prahlte mit den tollsten Frauen von ganz Hamburg.
Paul drängte sich zwischen die Leute, und einen Augenblick lang fühlte er sich sicher. Aber er blieb nicht stehen; er arbeitete sich an dem hellerleuchteten Eingang vorbei, bog nach rechts ab, rannte ein Stück und erreichte wieder eine Nebenstraße, eng und dunkel wie ein Ofenrohr.
Paul begann zu laufen. Er zog den Kopf zwischen die Schultern und jagte über das holprige Pflaster des Gehwegs an den hohen Häusern entlang.
In einem Hausgang stand eine Frau. Sie lachte, als sie ihn sah und rief ihm etwas nach. Paul lief schneller. Seine Knie begannen zu zittern und von Zeit zu Zeit einzuknicken. Er war es nicht mehr gewohnt zu laufen. Als er die nächste Ecke erreichte, übertrafen die Stiche in seiner Seite die Schmerzen im Magen.
Er blieb stehen und beugte sich vor, um etwas mehr Luft zu bekommen. Das Geräusch von quietschenden Reifen riß ihn wieder hoch.
Ein schwarzer VW bremste direkt vor ihm. Am Steuer saß Fred. Harald stieß die Tür auf und stürzte sich aus dem Wagen, noch bevor er richtig hielt.
Paul wandte sich um. Er konnte nicht mehr schnell laufen, sondern taumelte wie betrunken zurück in die dunkle Gasse. Die schweren Schritte von Harald kamen näher, dann klappte zum zweitenmal die Autotür, und Fred folgte ihm. Seine Schritte waren leicht und fast unhörbar.
Paul lief schneller. Er stolperte, aber irgendwie bekam er die Beine wieder auseinander; die Füße trugen ihn noch ein Stück weiter.
Die anderen waren knapp hinter ihm. Paul wunderte sich, daß sie ihn noch nicht erreicht hatten, und schaute hoch, um zu sehen, wie weit es noch bis zur belebten Straße war. Die lag noch gute fünfhundert Meter vor ihm. Ein strahlend helles Rechteck.
Und in seinem Rahmen standen die schwarzen Umrisse von Bertie und Walter. Geduldig und unbeweglich.
Paul blieb stehen. Es war aus. Seine Beine machten noch ein paar müde Schritte, ohne daß er es wollte, er hatte aufgegeben.
»Hallo, Sportsfreund!« sagte neben ihm eine Frau. Sie lehnte im Hausflur und lächelte ihn gelangweilt an.
Paul hörte hinter sich den keuchenden Atem von Harald und die singenden Gummisohlen von Fred. Er fiel auf die Frau zu, drängte sich an ihr vorbei und packte den Türgriff von innen.
»Na, hör mal!« Sie kam hinter ihm her und umklammerte seinen Arm, aber er riß sich los, knallte die Tür zu und lehnte sich mit seinem ganzen Gewicht dagegen. Seine Finger tasteten über die rissige Holzfläche, um den Riegel zu finden.
Draußen machten die Schritte halt. Paul hörte die flüsternden Stimmen, während er immer noch nach dem Riegel suchte.
Es war stockdunkel.
Die Frau stand regungslos hinter Paul. Plötzlich spürte er Druck von der anderen Seite und fand im gleichen Augenblick den Riegel. Aber sein Gewicht
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