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Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition)

Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition)

Titel: Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Rodrian
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nicht länger. Er rollte sich über die Mauer und ließ sich auf der anderen Seite in die Dunkelheit fallen. Er stürzte, sprang sofort wieder auf und lief weiter.
    Erst als er den ganzen Straßenblock hinter sich gelassen hatte, blieb er stehen und wartete, bis sein Atem ruhiger ging.
    Niemand war ihm gefolgt.

6
    Die Pik Dame war nur zwei Straßen weiter, aber Paul machte einen Umweg, um nicht noch einmal Fred und seinen Leuten zu begegnen. Auch als er beim Trichter ankam, sah er sich zuerst nach dem schwarzen Volkswagen um, aber er konnte ihn nicht entdecken.
    Hier war es ruhiger, und Paul fühlte sich einigermaßen sicher. Er staubte seine Hose ab und zupfte an dem Hemdkragen über seinem Pullover. Dann ging er auf den rot angestrahlten Eingang der Bar zu. Unter dem gewölbten Baldachin stand ein uniformierter Portier, der ihn zwar eingehend musterte, aber schwieg.
    Paul atmete auf. Er ging an den goldgelb gestrichenen Wänden vorbei und stieg die mit dicken Teppichen belegten Stufen in den Keller hinunter. Eine Klimaanlage brachte von irgendwoher frische Luft und wölbte die grünen Vorhänge am Ende der Treppe wie pralle Segel.
    Paul teilte sie und stand im Vorraum.
    Der Ober trug einen Frack. Er stand neben der Garderobe und taxierte Paul mit einem Röntgenblick, der die staubigen Schuhe, die ausgebeulte Hose, den verfilzten Pullover und das geschwollene Kinn ebenso erfaßte wie das Geld in seiner Hosentasche.
    »Nummer 57338 meldet sich von der Werkstatt zurück, Zelle 72 B«, murmelte Paul unhörbar und ging weiter in den niedrigen Raum, der in einzelne Nischen aufgeteilt war.
    Die Wände waren auch hier gelb gestrichen; in den Ecken hingen Lämpchen mit honigfarbenen Schirmen, und auf schmalen Holzborden standen Zinnkrüge und bemalte Teller. Auf den Tischen lagen dunkelgrüne Leinentücher, darauf Keramikständer mit dicken Wachskerzen. Aus vier Stereolautsprechern kam sentimentale Musik.
    Paul sah über die Tische hinweg in die einzelnen Nischen hinein. Er wußte nicht, wie er Susann Hontar erkennen sollte und ging an der kleinen Tanzfläche vorbei in die Bar. Neben ihm schossen ständig weißgekleidete Kellner aus dem Boden wie Pilze. Aber keiner hielt ihn auf.
    Der Barraum war halbrund; buntes Licht aus unsichtbaren Quellen brach sich in einer bernsteingelben Spiegelwand und Hunderten von Flaschen, die davor Parade standen.
    Paul schob sich auf einen der lederbezogenen Barhocker und stützte sich auf den Kupfertresen. Er war der erste Gast.
    Der Barkeeper unterbrach sein Gläserpolieren nur für den Bruchteil einer Sekunde und arbeitete dann weiter, als würde er im Akkord bezahlt. Paul nahm den Schein von Franz aus der Tasche und faltete ihn auseinander.
    Es waren fünfzig Mark.
    Der Barkeeper ließ seine Gläser im Stich und kam herüber.
    »Ein Bier«, sagte Paul.
    Der Barkeeper blieb stehen, sah auf den Geldschein und antwortete nicht.
    »Gibt es kein Bier?«
    Der Keeper sah auf, schüttelte den Kopf und fragte: »Cola mit Schuß?«
    Paul nickte und sah zu, wie der Barkeeper ein kleines Cognacglas, eine Colaflasche und ein Wasserglas mit zwei Eiswürfeln vor ihn hinstellte.
    Er hatte schon drei volle Cognacschwenker und drei leere Colaflaschen an seinem Platz stehen, als sie hereinkam.
    Er erkannte sie sofort, obwohl er sie noch nie gesehen hatte. Sie hatte das gleiche strohblonde Haar wie Hontar und die gleichen grünen Augen. Aber im Gegensatz zu ihm war sie nicht untersetzt und schwer, sondern groß und schlank.
    Wie in einem Film sah er sich selbst dasitzen: verknittert, mager, hilflos und lächerlich jung.
    Sie trug einen engen schwarzen Rock, einen zitronengelben Pullover und ein schwarzes Wollding, das aussah wie ein gehäkeltes Bettjäckchen und einen seltsam braven Eindruck machte, der ganz und gar nicht zu ihr paßte.
    »Na, Pete, nicht viel los hier, wie?« begrüßte sie den Barkeeper, der zurückgrinste.
    Paul räusperte sich. »Hallo«, flüsterte er.
    Sie hörte ihn nicht. Sie sprach mit Pete: »Wird Zeit, daß ich wieder herkomme und Schwung in den Laden bringe. Euch fehlt ein guter Schlepper – und ich natürlich.« Sie lachten beide.
    Paul holte tief Luft. »Susann ...«
    Sie drehte sich um und sah ihn erstaunt an.
    Erst jetzt bemerkte er, daß sie nicht allein war. Der Mann war etwa Ende fünfzig, klein, zierlich und fett, mit einem rosaroten Kindergesicht und spärlichen Haaren, die sorgfältig über den Schädel verteilt waren. Hinter einer hellen Schildpattbrille fixierten

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