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Tod in Wolfsburg (German Edition)

Tod in Wolfsburg (German Edition)

Titel: Tod in Wolfsburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Kuck
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nicht, ich verkaufte nicht,
und ich machte mich klein wie ein Mäuschen. Vielleicht vergaßen sie mich
einfach oder gaben es auf. Wer war ich schon? Auf keinen Fall wichtig, und
unter Umständen lohnte es sich gar nicht, mir großartig hinterherzuforschen.
    Eine Woche tat sich nichts, und ich begann zu hoffen. Ich dachte
schon, ich hätte gewonnen – mein eigenes kleines Leben zurückgewonnen. Dann,
nach acht Tagen, überfielen sie mich, als ich abends vom Nachhilfeunterricht
nach Hause kam. Es war schon dunkel, als plötzlich drei Gestalten hinter mir
auftauchten. Bevor ich schreien oder mich wehren konnte, hatten sie mich in
einen Hauseingang gezerrt. Nelli und die Blonde hielten mich fest, Philippa
schlug und trat zu, immer wieder. Sie achtete darauf, nur den Körper zu
treffen, nicht das Gesicht. Bis ich mich übergeben musste. Danach wagte ich
monatelang nicht, auch nur ein Wort des Widerspruchs von mir zu geben.
    Ja, zumindest hin und wieder habe ich daran gedacht, jemanden ins
Vertrauen zu ziehen. Aber wen? Die Eltern? Sag selbst – wie hätten sie wohl
reagiert? Mir geglaubt und beigestanden? Etwas unternommen? Wahrscheinlich
wären sie misstrauisch geworden. Und hätten mich am nächsten Tag zur Schule
geschickt. Lehrer? Die hatten auch so schon genug um die Ohren. Und hätten sie
mich beschützen können? Ich bezweifelte das. Oder die Polizei? Ach, du liebe
Güte! Sie hätten alles abgestritten und mich bei der nächstbesten Gelegenheit
fertiggemacht. Freunde? Hatte ich nicht. Die Möglichkeit, Ausschau zu halten
nach anderen, die sie genauso in ihrer Gewalt hatten, verwarf ich schnell
wieder. Die anderen waren genauso schwach und hilflos wie ich. Sonst wären sie
nicht in einer solchen Situation.
    Dann kam Karen in meine Klasse. Ich mochte sie sofort. Sie war klug
und aufmerksam und sah mich oft so fragend an, dass ich das Gefühl hatte,
entweder auf der Stelle weglaufen oder ihr mein Herz ausschütten zu müssen. Das
tat ich nicht oder besser gesagt, nicht gleich, aber als wir uns nach einigen
Monaten etwas näher kennengelernt hatten, deutete ich an, dass ich Probleme mit
anderen Schülerinnen hätte. Sie ließ nicht locker, bis ich ihr die Namen nannte:
»Philippa, Lola, Nelli und Rabea – die scheint die Chefin zu sein, aber ich
habe sie bislang nicht kennengelernt. Die drei reden nur immer wieder von ihr.«
    Ich weiß nicht genau, was dann passierte. Karen übernahm jedenfalls
die Initiative und sprach die Mädchen von sich aus an, und zwei Wochen lang
ließen sie mich völlig in Ruhe. Sie erzählte mir nicht, wie sie das erreicht
hatte, es schien auch nicht wirklich wichtig. Sie war meine Heldin. Ich war
frei und konnte wieder durchatmen, lachen, nach vorne blicken. Bis zu jenem
Abend, als ich bei unserer Tante Hildegard, die zur Kur war, die Blumen goss
und den Briefkasten leerte. Das machte ich seit drei Wochen alle paar Tage. An
diesem Tag sollte es das letzte Mal sein. Ich verließ die Wohnung und wollte gerade
abschließen, als das Licht im Hausflur ausging. Ich streckte die Hand nach dem
Lichtschalter aus und bekam einen solchen Stoß in den Rücken, dass ich lang
hinschlug. Im nächsten Moment wurde ich gepackt und zurück in die Wohnung
geschleift. Jemand stellte Musik an. Der Schock lähmte mich derart, dass ich
nicht schreien konnte. Ein Alptraum begann.
    Sie waren zu fünft – die drei Mädchen, die ich bereits hinreichend
kannte, dazu eine Vierte mit grünen Augen, von der ich ahnte, dass es Rabea
war, und ein junger Mann in schwarzen Klamotten und mit einer Wollmütze über
dem Kopf, die nur schmale Schlitze für die Augen und den Mund freiließ. Ich
sollte ein Glas Wasser trinken. Als ich den Kopf schüttelte, fiel Philippa über
mich her und hörte erst wieder auf, als das Mädchen mit den grünen Augen ihr
schließlich Einhalt gebot. Ich weiß noch, dass ich ihre Stimme mochte.
Absurderweise. Ich sah zu ihr hoch und erhoffte mir – ja: Hilfe, Beistand. Sie
lächelte.
    »Ich bin Rabea. Es ist besser, wenn du machst, was man dir sagt.
Grundsätzlich solltest du dich nicht mit den Krähen anlegen, sondern tun, was
wir dir sagen. Hast du das verstanden?«
    Ich nickte und trank das Glas Wasser. Rabea lächelte wieder. Sie ist
schön, dachte ich. Minuten später veränderte sich alles. Mir wurde schwindelig,
meine Beine waren auf einmal ganz schwer, ich konnte mich kaum bewegen, und ich
stotterte. Die vier lachten. Der Typ lag plötzlich auf mir. Zwischen meinen
nackten Beinen. Er

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