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Tod in Wolfsburg (German Edition)

Tod in Wolfsburg (German Edition)

Titel: Tod in Wolfsburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Kuck
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bewegte sich. Sein Gesicht kam näher und entfernte sich wieder,
kam näher und verschwand wieder, und ein merkwürdiger Schmerz füllte mich aus.
Jemand stöhnte. Der Mann. Jemand kreischte. Vor Vergnügen. Philippas
kohlrabenschwarze Augen starrten mich gierig an. Hasserfüllt. Neidisch. Dachte
ich. Ein Mädchen schrie. Das war ich. Erst später begriff ich, dass der Mann
mich vergewaltigte, und noch später verstand ich, dass die Szene gefilmt worden
war und ich aufgrund der Substanz, die ich mit dem Wasser zu mir genommen
hatte, kaum Gegenwehr leistete. Verstehst du, Lisa – es sah aus, als würde ich
freiwillig mit dem Typen schlafen! Papa und Mama würden in Ohnmacht fallen! Als
ich aufwachte, waren Stunden vergangen, und ich hatte Mühe, mich zu orientieren
und nach Hause zu finden. Glücklicherweise waren die Eltern an dem Abend
unterwegs und bekamen gar nicht mit, wie ich ins Haus stolperte.
    Am nächsten Tag hatte ich den Film per E-Mail-Anhang in meinem
Postfach – mit lieben Grüßen von den Krähen. Ich war so entsetzt, dass ich
sofort alles löschte. Bis ich Karen gegenüber eine Andeutung machte – nur eine
Andeutung, die ganze Wahrheit hätte ich nicht über die Lippen gebracht –,
vergingen Wochen. Wochen, in denen ich brav bezahlte.
    »Sie erpressen mich«, gab ich schließlich zu. »Frag nicht, womit,
aber sie haben mich in der Hand.«
    Karen sagte minutenlang kein Wort, sondern starrte Löcher in die
Luft. Schließlich sah sie mich an und nickte. »Ich habe eine Idee.«
    »Karen …!«
    »Diesmal werden sie dich in Ruhe lassen – glaub mir.«
    »Was hast du vor? Bitte tu nichts Unüberlegtes!«
    »Ich tue nie wieder etwas Unüberlegtes, das du dann ausbaden musst.
Vertrau mir!«
    »Aber …«
    »Ich werde dich freikaufen. Glaub mir – darauf werden sie sich
einlassen. Ich habe Geld – genug Geld. Damit kann ich sie locken.«
    »Aber …«
    »Lass es mich wenigstens versuchen«, unterbrach Karen mich erneut
und sah mich wild entschlossen an. »Kannst du denn nicht verstehen, dass ich
etwas tun muss – etwas Besonderes? Schließlich hat mein bisheriges Eingreifen
dir nur noch mehr Ärger eingebracht.«
    Ärger, dachte ich, ließ den Ausdruck aber so stehen. Wenn Karen
wüsste … Aber vielleicht ahnte sie ja mehr, als ich annahm.
    Ich weiß nicht, um wie viel Geld es ging, aber einige Tage darauf
erklärte mir Karen, dass die Krähen die Idee gut fanden. Sehr gut sogar.
    »Freitag treffe ich mich mit denen. Und dann ist es endgültig
vorbei!« Sie strahlte.
    »Du hast dich alleine mit denen verabredet?« Ich war entsetzt. »Tu
das nicht!«
    »Keine Sorge. Wir treffen uns in aller Öffentlichkeit und gehen
gemeinsam in die Disco an der Dieselstraße, um den Pakt sozusagen zu begießen.«
    Ich sah sie verdattert an. Pakt? Begießen? »Aha. Und wenn sie in
einem halben Jahr wieder auf mich …?«
    Karen schüttelte den Kopf. »Lass das mal meine Sorge sein. Ich werde
denen das Handwerk legen – endgültig und ohne dass sie es merken. Du bist ganz
sicher nicht die Einzige, mit der sie so verfahren. Da muss etwas unternommen
werden.«
    Ich nickte langsam, aber mir war elend. »Karen, das ist sehr
gefährlich. Ich traue denen alles zu, verstehst du?«
    »Ich weiß, aber mal ehrlich: Was soll in einer Disco denn schon
Großartiges passieren? Mit Dutzenden von Leuten um uns herum?«
    »Und wie genau willst du …?«
    Sie winkte ab. »Was du nicht weißt, macht dich nicht heiß!«
    Der Freitag kam, und Karen war wild entschlossen, ihr Vorhaben
umzusetzen. Ich war so nervös, dass ich meine Finger blutig kaute. Mein Handy
lag den ganzen Abend bereit, während ich auf den Fernseher starrte, ohne
mitzubekommen, was sich da abspielte. Sehr spät erhielt ich zunächst zwei
Nachrichten – eine SMS , in der
Karen mir mitteilte, dass alles okay sei, und kurz darauf eine
Sprachaufzeichnung, die eine Unterredung zwischen ihr und Rabea wiedergab.
Karen bezahlte, und ich war frei – so lautete die Vereinbarung, die Rabea mit
ihrer volltönenden Stimme bestätigte. Im Hintergrund war Musik und ein Lachen
zu hören. Philippa. Ich weinte vor Glück. Mitten in der Nacht traf eine weitere SMS ein, die ich nicht verstand,
zunächst nicht: »Sofort alles löschen!«
    Am nächsten Tag erfuhr ich, dass Karen tot war.
    Sie riefen nachts an, sie schlichen ums Haus, verfolgten mich in der
Schule, nach der Schule – immer eine von ihnen oder auch zwei. Lebendig
gewordene Drohungen. Vielleicht bildete ich mir manches auch

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