Tod ist nur ein Wort
jetzigen Zeitpunkt war nichts sonderlich lustig.
Sie sah nicht ganz so elegant aus wie bei ihrer Ankunft. Ihr dunkles Haar war vom Regen leicht gelockt, sie trug kaum Make-up und ihr roter Mund wirkte leicht geschwollen. Er hatte sie nicht so hart geküsst, oder? Vielleicht doch, aber sie hatte seinen Kuss mit ebenso viel Leidenschaft erwidert, bis die verdammten Scheinwerfer sie unterbrochen hatten.
Er hätte eine Menge erfahren können, wenn er erst einmal in ihr gewesen wäre. Aber das konnte ja noch kommen.
Mit dem Instinkt eines großen weißen Hais hatte Monique von Rutter Chloe ins Visier genommen, um sie zu zerfetzen. Bastien beobachtete reglos, wie sie Chloe langsam umzingelte, sie mit einem Charme umgarnte, der nur komplett Ahnungslose täuschen konnte. Chloe sah die Baronin misstrauisch an, antwortete einsilbig auf ihre provokanten Fragen und rührte ihr Weinglas nicht an. Zu schade – er hatte damit gerechnet, dass der Alkohol seine Aufgabe leichter machen würde.
Andererseits war er kein Mann, der immer den leichtesten Weg nahm.
“Ich finde französische Männer völlig uninteressant, Sie nicht auch, Miss Underwood?”, plapperte Monique. “Es geht ihnen viel mehr um ihr eigenes Vergnügen als um das der Frau. Und eitel sind sie! Nehmen Sie zum Beispiel Bastien. Nur ein sehr oberflächlicher Mann ist so gut gekleidet.”
Chloes Blick wanderte zu ihm, um sich dann wieder auf ihren kaum angerührten Teller zu richten. Sie sagte nichts. Kein großer Spaß für Monique, dachte Bastien träge, während er mit einer Hand sein Weinglas hin und her drehte. Vielleicht sollte er Chloe aus der Patsche helfen.
“Aber der Punkt ist doch ein anderer, Baronin”, schaltete er sich ein. “Ein notorischer Frauenheld ist doch darauf bedacht, die Geliebte zufriedenzustellen. Wenn er mehr an seinem eigenen Vergnügen interessiert wäre, ist das eine Sache, doch wenn er sich als guter Liebhaber brüsten will, kann das nur zum Wohl der Frau sein, oder?”
Eine leichte Farbe überzog Chloes Wangen, als sie weiter auf ihren Teller starrte, was niemandem am Tisch verborgen blieb.
Moniques Gesicht hingegen war von Röte regelrecht übergossen. “Außer natürlich, wenn die Frau feststellt, dass er an ihr nur seine Eitelkeit befriedigt. Dass ihr Vergnügen nur das Ergebnis seiner Geschicklichkeit, nicht aber seiner Leidenschaft ist.”
Bastien zuckte die Schultern. “Was spielt das für eine Rolle? Solange sie ihr Vergnügen hat.”
“Genau darin sind Sie ja ein Meister”, gurrte Monique. Und fügte ein wenig zu hastig hinzu. “Das habe ich jedenfalls gehört.”
Bastien war nicht länger amüsiert. Jeder am Tisch wusste, dass er sie gevögelt hatte, auch ihr voyeuristischer Ehemann. Und auch die unschuldige Miss Chloe. In weniger als achtundvierzig Stunden sollten sie alle abreisen, und soweit er es feststellen konnte, war nur wenig erledigt worden. Der Wahl eines neuen Führers waren sie kein bisschen näher gekommen, und Christos war noch immer nicht eingetroffen. Wahrscheinlich hatte er Chloe vorgeschickt, um den Boden zu bereiten. Die anderen waren Narren, dass sie nicht erkannten, wie ernst die Lage war. Und wie verdächtig ihre Ersatzdolmetscherin sich machte.
Das Kartell, dessen Erfolg auf strikter Geheimhaltung beruhte, sah sich mit einer gefährlichen Fremden in seiner Mitte konfrontiert, und Moniques Eifersüchteleien machten die Sache nicht besser. Sie brauchte einen anderen Spielgefährten, um ihn und Chloe in Ruhe zu lassen, doch es war niemand in Sicht. Hakim bevorzugte kleine Jungen, Madame Lambert war anspruchsvoll, Ricetti schwul und Otomi ein hingebungsvoller Familienvater. Blieb also nur ihr Mann, den Monique schon lange satthatte.
“Wir sollten heute Abend noch arbeiten”, schaltete sich Hakim ein, der offenbar ebenfalls verärgert über Moniques Verhalten war. “Wir sind im Rückstand und können nicht länger auf Mr. Christopolous warten. Es sind zu viele Dinge, die wir innerhalb kürzester Zeit entscheiden müssen – die Neuaufteilung der Gebiete, wer unser neuer Anführer wird, wie wir auf Remarques Ermordung reagieren. Diese Dinge sind von weitreichender Bedeutung, und wir dürfen keine Zeit mehr verschwenden.”
Ach, Chloe, dachte Bastien. Sie hatte sich überrascht Hakim zugewandt, und er konnte ihr ansehen, was in ihrem Kopf vorging. Warum war der Import von Vieh und Lebensmitteln von weitreichender Bedeutung? Warum wurde ihr Anführer ermordet? Sie war entweder
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