Tod ist nur ein Wort
später hatte Chloe sich schon an ihre Ecke des Bettes zurückgezogen und versuchte, den Neuankömmling zu erkennen.
“Störe ich, Jean-Marc?” Die Frau klang amüsiert. “Ich kann jederzeit später wiederkommen.”
“Du hast nur eine kleine Lektion Überlebenstraining unterbrochen. Maureen, dies ist dein Schützling, unsere verloren gegangene Amerikanerin.” Er richtete seine dunklen undurchdringlichen Augen wieder auf Chloe. “Und dies,
ma chère
, ist Maureen. Meine Gelegenheitsgattin. Sie ist eine sehr gute Agentin – ich würde dich nur der Besten anvertrauen. Sie wird sich von jetzt an um dich kümmern. Sie wird dich zum Flughafen und sicher ins Flugzeug bringen – sie hat noch bei keiner Mission versagt.”
“Oh, ich habe mich ein- oder zweimal geirrt”, sagte Maureen mit ihrer vollen warmen Stimme. “Aber letztendlich habe ich immer das Richtige getan. Chloe und ich werden wunderbar zurechtkommen.” Sie war eine attraktive Frau Mitte dreißig und trug ein Kleid, für das Sylvia gestorben wäre.
Chloe wurde eiskalt bei dem Gedanken. Sie rang sich ein steifes Lächeln ab, bevor sie sich Bastien zuwandte. Oder Jean-Marc, wie ihn die andere genannt hatte. Oder dem Mann ohne Namen. “Du lässt mich allein?”
Er versuchte nicht einmal, seine Belustigung zu verbergen. “Ich verlasse dich, meine Süße, und überlasse dich Maureens liebevoller Barmherzigkeit. Ich habe meine Arbeit allzu lange schleifen lassen und fürchte, dass ich nicht länger warten kann. Ich wünsche dir eine angenehme Reise und ein gutes Leben.”
Und dann war er fort.
17. KAPITEL
“W ieder eine von Jean-Marcs Eroberungen”, sagte Maureen, als sie weiter in den Raum trat. “Armes Ding. Ihr ähnelt euch alle mit euren mitleidheischenden Augen und euren hübschen Gesichtern. Jean-Marc hat noch nie einem hübschen Gesicht widerstehen können.” Sie klang unbekümmert und legte den Koffer, den sie mitgebracht hatte, aufs Bett. Dann musterte sie Chloe von oben bis unten. “Obwohl du nicht ganz sein Typ bist, wenn ich’s mir recht überlege. Für Jungfrauen in Bedrängnis hat er eigentlich nichts übrig. Es überrascht mich, dass er dich nicht selbst beseitigt hat.”
Ihre Offenherzigkeit schockierte Chloe. “Er würde niemals …”
“Oh, er würde, das versichere ich dir. Und er hat. Doch aus irgendeinem Grund will er dich in Sicherheit bringen, weshalb er mich um Hilfe gebeten hat. Wie nennst du ihn?” Sie öffnete den Koffer und packte saubere Kleidungsstücke aus.
“Wie bitte?”
“Nun, wahrscheinlich ist er nicht als Jean-Marc unterwegs. Und ich bezweifle, dass das sein richtiger Name ist. Den wird er vermutlich vergessen haben. Beim letzten Mal nannte er sich Etienne.”
“Spielt das eine Rolle?”
“Nein”, erwiderte Maureen. “Du wirst frische Kleidung anziehen wollen, bevor wir gehen. Und was um Himmels willen ist mit deinem Haar passiert? Du siehst aus, als hätte dich
Edward mit den Scherenhänden
bearbeitet.”
“Ich habe sie abgeschnitten.” Eine schwarze Hose lag vor ihr, eine schwarze Bluse, sogar der BH und das Höschen waren schwarz. Wahrscheinlich eine Vorschrift für alle … Spione. Agenten. Was auch immer sie waren.
“Das sehe ich, dass du es selber geschnitten hast”, sagte Maureen. “Egal – sicher kann das jemand in Ordnung bringen, wenn du zu Hause bist. Zieh dich jetzt um.” Sie lehnte sich gegen die Wand und verschränkte abwartend die Arme vor der Brust.
Das Letzte, was Chloe tun würde, wäre, sich vor ihr auszuziehen. “Könnte ich dabei vielleicht allein sein?”
“Ihr Amerikaner seid wirklich unglaublich prüde. Ich hätte gedacht, dass du nach ein paar Tagen mit Jean-Marc über solche Zimperlichkeiten hinweg wärst.”
Chloe schwieg. Offensichtlich würde Maureen nicht gehen, und so blieb ihr nichts anderes übrig, als sich den Pulli auszuziehen.
Der Raum war kalt. Sie schaute auf ihre Arme, doch die Male waren fast verschwunden. Zwei Tage zuvor war sie gefoltert worden. Und nun sah sie einfach nur ein bisschen erschöpft und verfroren aus.
Sie griff nach der neuen Bluse, doch Maureen ließ sie innehalten. “Zieh alles aus”, sagte sie. “Du würdest dich wundern, welche Hinweise die Kleidung gibt. Wir wollen nichts riskieren.”
“Ich weiß nicht, was du meinst.”
“Natürlich nicht. Zieh den BH aus. Auch wenn ich ums Verrecken nicht weiß, wo du den herhaben könntest. Nicht aus Paris. Nonnen tragen so etwas. Hast du gar keinen Sinn für
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