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Tod ist nur ein Wort

Tod ist nur ein Wort

Titel: Tod ist nur ein Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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sie wachte jeden Morgen pünktlich um acht Uhr dreißig auf, und selbst wenn sie irgendetwas mitten in der Nacht weckte, wusste sie immer, wie spät es war.
    In den letzten Tagen aber war alles aus dem Gleichgewicht geraten. Sie schlief mehr, als sie in ihrem ganzen Leben geschlafen hatte. Wahrscheinlich eine Reaktion auf die schrecklichen Ereignisse, die sie durchlebt hatte. Nach ihrem Gefühl konnte sie fünfzehn Minuten oder auch drei Tage geschlafen haben.
    Bastien lag noch neben ihr. Sie hatte sich im Schlaf umgedreht und lag halb über ihm, den Kopf auf seiner Schulter, die Hand auf seiner Brust, während sein Arm sie umfasst hielt. Eigentlich sollte sie zurückzucken, was sie aber nicht tat. Sie bewegte keinen Muskel und versuchte nur angestrengt, irgendetwas in der Dunkelheit zu erkennen.
    Bastien schlief tief und lautlos. Vermutlich gehörte das zu seiner Selbstdisziplin. Er würde sich kein Schnarchen gestatten. Er schlief so tief, dass er es vermutlich kaum bemerken würde, wenn sie sich vorsichtig seiner Umarmung entzog und sich umdrehte. Es war zu peinlich, hier so zu liegen. Zu … verwirrend.
    Stockholm-Syndrom, rief sie sich ins Gedächtnis. Es hatte nichts mit der Realität zu tun. Sie mochte den Mann nicht einmal. Im Moment brauchte sie ihn, doch wenn sie erst einmal zu Hause war, würden sich die Maßstäbe wieder zurechtrücken, und ihre derzeitige Faszination würde Selbstekel in ihr auslösen. Nun, vielleicht nicht gerade Selbstekel. Der Mann, der sich Bastien Toussaint nannte, war äußerlich zweifellos sehr attraktiv. Und es bestand ebenfalls kein Zweifel, dass er ihr das Leben gerettet hatte, vielleicht mehr als einmal, was sie zur Dankbarkeit verpflichtete.
    Sie wollte nicht darüber nachdenken. Sie wollte an gar nichts denken, weder an den Mann neben ihr noch an Sylvia oder an die Menschen, die um den riesigen Konferenztisch gesessen hatten und angeblich über Lebensmittel sprachen. Sie würde an den Schnee denken. Wie er in dicken weißen Flocken herunterrieselte und die Stadt in Stille hüllte, wie er Straßen unbefahrbar machte und die Flughäfen lahmlegte, sodass sie in der Falle saß, in den Armen eines Killers …
    “Hör auf, darüber nachzudenken.”
    Er hatte sich nicht bewegt, und auch sein gleichmäßiges Atmen hatte sich nicht verändert, doch seine sanfte Stimme brach die Stille wie zersplitterndes Glas.
    Sie rückte von ihm ab, presste sich dicht an die Wand. Trotzdem war es in dem schmalen Bett unmöglich, seinen langen schlanken Körper nicht zu berühren. “Ich dachte, du schläfst.”
    “Habe ich auch. Bis du aufgewacht bist.”
    “Mach dich nicht lächerlich – ich habe mich nicht bewegt. Ich habe nur die Augen geöffnet, das war alles. Erzähl mir nicht, dass das Kitzeln meiner Wimpern dich geweckt hätte.” Wenn schon ihr Körper ihn nicht zurückstoßen konnte, sollte das zumindest ihr Sarkasmus tun.
    “Nein”, erwiderte er leise und schläfrig, doch sie ließ sich nicht täuschen. “Als du angefangen hast, nachzudenken, floss dein Blut schneller. Ich konnte spüren, wie sich dein Herzschlag und dein Puls beschleunigten. Auch wenn du keinen Muskel bewegt hast.”
    “Du bist was ganz Besonderes, nicht wahr?”, entgegnete sie sarkastisch.
    “Wie bitte?”
    Natürlich konnte er die Anspielung nicht verstehen. Er mochte Puls und Herzschlag bestimmen können, aber vermutlich hatte er niemals
Saturday Night Live
gesehen und kannte die Figur der Church Lady nicht. Vielleicht hatte er überhaupt noch niemals ferngesehen. Es würde sie nicht überraschen. Schließlich hatte er auch gesagt, dass er nie ins Kino ging.
    Überraschend dagegen war, dass sie sich auch mit abgewandtem Rücken seines Körpers sehr wohl bewusst war. Dass sie noch immer ein unerklärliches Verlangen nach ihm verspürte. Ein Verlangen, das sie nur in Verlegenheit bringen und frustrieren konnte.
    “Wie spät ist es?”
    “Später Vormittag”, antwortete er. Er rückte von ihr ab und stand auf, was ihr einen Seufzer entlockte – vor Erleichterung, wie sie sich einredete.
    “Und was sollen wir jetzt tun? Rausgehen und eine Schneeballschlacht veranstalten? Ich fürchte, dafür bin ich nicht richtig angezogen.” Ja, sie klang kühl und distanziert. Er würde nicht die leiseste Ahnung haben, welch ein Gefühlschaos in ihr herrschte.
    Er zündete die Kerzen an. Erste Bartstoppeln zeigten sich in seinem Gesicht, was sie irgendwie befremdete. Sie hatte ihn bislang nur perfekt gekleidet und

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