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Tod Live

Tod Live

Titel: Tod Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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also nicht, daß ich vor etwas fortlaufe?«
    »Sie würden erst richtig fliehen, wenn Sie blieben. Denn das wäre eine Art Selbstmord.«
    Sie nickte. »Sie wissen also, daß alles in Ordnung ist? Wenn die Zeitungen zu lamentieren anfangen, wissen Sie, daß ich weitermache? Sie wissen, daß ich dann irgendwo bin, daß es mir gutgeht, ja?«
    »Ich hätte nie daran gezweifelt.«
    Er legte die Arme um sie und tröstete sie. Er war so jung und kannte den Unterschied zwischen einer Handlungsschleife und einer Enthüllungsphase nicht. Seltsam: Gerald war so hetero gewesen, wie man sich das nur vorstellen konnte – dennoch erinnerte sie Peter an ihren ersten Mann. Aber sie und Gerald waren damals jung gewesen.
    »Ich bin kein Panzerkreuzer«, sagte sie. »Ich glaube, das war ich nie.«
    Er tätschelte sie und schob sie sanft von sich. »Und jetzt lassen wir das. Wenn wir lange so weitermachen, wird noch jemand eifersüchtig.« Er zog ein zerknülltes Taschentuch aus dem Morgenmantel und gab es ihr, damit sie sich das Gesicht abwischen konnte.
    »Dann adieu.«
    »Adieu, Katie-Mo.«
    Als sie im Fahrstuhl nach unten fuhr, sah sie auf die Uhr. Die halbe Stunde, die sie Harry gegeben hatte, war längst vorbei. Wenn Harry ihr Verschwinden bemerkte und Vincent anrief, gab dieser sofort Generalalarm. Sie wünschte, sie hätte sich nicht ausgerechnet den Heliport ausgesucht – dort wimmelte es ständig von Polizisten. Sie gab den Versuch auf, ihre Spuren zu verwischen, und ließ sich von dem Taxi unmittelbar ans Ziel bringen. Je eher sie das Nötige tat und dort wieder verschwand, desto besser. Ihr fiel noch rechtzeitig ein, dem Fahrer zu sagen, daß sie die Zwölf-Uhrfünfundvierzig-Maschine nach Amsterdam erreichen wollte.
    Vielleicht gab es so einen Flug sogar.
    Das Taxi setzte sie am Haupteingang ab. Rings um die Markise bildete der Nieselregen einen dichten, grauen Vorhang. Während sie in ihrer Handtasche nach dem Fahrgeld kramte, hatte sie das Gefühl, sich ausgesprochen verdächtig zu machen. Der Taxameter zeigte einen großen Betrag an, und sie hatte kaum genug Geld dabei. Sie leerte die Tasche bis auf die letzte Münze und gab ihm alles. Das Trinkgeld war ziemlich hoch – als letzter Taxifahrer ihres Lebens hatte er sich das verdient. Sie verließ ja nun die Welt des Geldes.
    Er nahm mürrisch das Geld. »Ich hoffe, die NTV weiß, wo Sie sind, Mrs. Mortenhoe.«
    »Natürlich.« Sie lächelte ihn an. Er hatte bis jetzt kein Wort gesagt. Vielleicht war er ein Spion von Vincent. »Ich bleibe ja nicht dort. Ich will mir nur ein paar Zwiebeln kaufen – hübsche Narzissen in kleinen Töpfen.«
    »Amsterdam gefällt Ihnen bestimmt nicht«, sagte er und gab Richtungszeichen. »Es ist voller Amerikaner.«
    Sie lachte mehr, als es der Witz verdiente, falls es ein Witz war, und sah ihm nach. Sie kam zu dem Schluß, daß er kein Spion war, sondern ein Angehöriger ihrer Öffentlichkeit, der eifersüchtig über seine Rechte wachte.
    Auch am Eingang zum Heliport wurde sie erkannt.
    »Brauchen Sie Hilfe, Mrs. Mortenhoe?« Zwei freundliche Polizisten standen vor ihr, ehe sie die Flucht ergreifen, ehe sie überhaupt Angst empfinden konnte. Sie tischte ihnen die Amsterdam-Story auf, die sie glaubten. »Aber dort regnet es bestimmt auch, Mrs. Mortenhoe.« Ihre Funkgeräte konnten sie jederzeit verraten. »Also, Madam, die Ticketschalter sind da drüben. Sie brauchen’s nur zu sagen, wenn Sie Hilfe brauchen.«
    Sie dankte den beiden und brachte es fertig, in die angegebene Richtung zu gehen und nicht zu laufen. Sie drehte erst ab, als sie sicher war, daß sie in der Menge nicht mehr zu sehen war. An der Wand der Gepäckaufbewahrung befand sich ein Schild. Darauf stand etwas, das sie hätte wissen müssen, das ihr eigentlich auch bekannt war: Bei Abholung von Gepäck ist ein 50-p-Stück in den Schlitz zu stecken.
    Sie hatte kein 50-p-Stück. Sie hatte sich fünf Minuten zu früh in symbolische Armut gestürzt.
    Ihrem ersten, verrückten Impuls folgend, wollte sie dem Taxifahrer nachrennen und ihr Geld zurückverlangen – das Trinkgeld, das er in seiner Knurrigkeit nicht verdient hatte. Dann riß sie sich zusammen und begann zu überlegen, was sie Verkaufenswertes bei sich hatte – nichts, was sich hier auf dem Heliport anbieten ließ, nicht einmal ihren guten, alten Körper. Also schön, wenn man dringend Geld brauchte und die Banken übers Wochenende geschlossen waren und man nichts zu verkaufen hatte… Ja, dann bettelte oder borgte

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